Im Einklang mit Gut und Böse
Himmel und Erde. Wasser und Feuer. Gut und Böse. Nichts, was unser Leben ausmacht, existiert alleine. Alles hat seinen logischen Gegenspieler, um gemeinsam ein großes Ganzes bilden zu können. Diese Tatsache ist sehr vereinfacht dargestellt genau das, was man in der chinesischen Philosophie als Yin und Yang versteht. Also zwei entgegengesetzte Kräfte, die miteinander im Einklang sind.
Yin ung Yang aus Österreich
Genau unter eben diesem chinesischen Aspekt hat nun der österreichische Architekt Chris Precht ein Haus für ein deutsches Paar entworfen. In der Nähe der Stadt Kassel gelegen, ist das Objekt für eine Kleinfamilie gedacht, die abseits der Zivilisation möglichst autark leben möchte. Und so war von vornherein klar, dass dieses Haus in jeder Wand und jedem Ziegel das Thema Nachhaltigkeit verankert haben muss. Deshalb war es wohl besonders wichtig, ein passendes architektonisch-philosophisches Fundament zu schaffen, bevor überhaupt an die klassische Planung gedacht werden konnte.
Zu allererst entsannen sich Precht und sein Team auf eine bekannte Tatsache, die jedoch nur zu gern in Vergessenheit gerät: "Wenn Architekten ein Gebäude entwerfen, nehmen sie einen Bereich weg, der früher der Natur gehörte", wissen die Architekten (siehe auch "Das vielleicht versteckteste Haus der Welt"). Und so drängten sich für das Architekten-Team gleich weitere Fragen auf, die Chris Precht an dieser Stelle auch direkt beantwortet:
Wie kann man eine Symbiose aus Architektur und umgebender Natur schaffen, bei der beide voneinander profitieren können?
Chris Precht: „Wir folgten dem Prinzip, der Natur die Menge an Land zurückzugeben, die von ihr weggenommen wurde, um das Haus zu bauen. Deshalb bieten wir den Bewohnern durch eine Reihe von Pflanzen einen Dachgarten, der von Frühjahr bis Herbst Ertrag bringt. Für die Wintermonate haben wir ein gewölbtes Gewächshaus integriert.“
Wie kann man zwischen zwischen dem Arbeiten und dem Leben auf dem Land Harmonie schaffen?
Chris Precht: „Wir suchten nach einer Typologie der Architektur, die ihre Funktionen trennt, aber auch unter einem Dach verbinden kann. Zwei Hälften, die eine Einheit bilden. Ein Teil zum Leben. Der andere zum Arbeiten. In Harmonie miteinander. Eben wie Yin & Yang.“
Wie wohnt man im Yin und Yang?
Aber was heißt das nun für die geplante Realität: Das Design des Hauses entspricht direkt dem Yin und Yang-Symbol. Es besteht also aus zwei, durch einen Schwung voneinander getrennte, Einheiten, die harmonisch mit einem intensiv bewachsenen Dach verbunden werden. Die eine Hälfte ist als Wohneinheit zu verstehen, die andere als Arbeitsbereich. Auch zwei Welten, die in unserer wirtschaftlich konstruierten Welt in direktem Bezug zueinanderstehen.
Spannend ist aber freilich die Dachgartensituation, die natürlich nachhaltig funktionieren muss. Also wird das anfallende Regenwasser aufgefangen und zum Boden geleitet, wo es erst gespeichert und dann zur Bewässerung der Pflanzenkulturen genutzt wird.
Privat und Beruf verbinden sich
Eben an dieser Stelle des Projekts trafen sich wohl die Interessen der Auftraggeber und des Architekten in einem besonderen Ausmaß, wie Precht selbst schildert: „Meine Frau Fei und ich leben auch in einem kleinen Haus in einem ländlichen Teil Österreichs. Und der größte Vorteil des Landlebens ist die Lebensqualität und, dass man selbst Lebensmittel anbauen kann!“ Dieser Umstand hätte ihr Verhältnis zu Lebensmitteln grundlegend verändert, berichtet er weiter.
Natürlich spinnt Precht an diesem Punkt selbst den Bogen wieder zurück zu seinem Entwurf: „Richtiges Essen wird Teil der eigenen Identität. So wie es auch die Architektur macht. Beides in einem harmonischen Design zu vereinen, ergibt ein poetisches Bild für dieses kleine Grundstück auf dem Land.“
Der Duft des Yin und Yang
Klingt jedenfalls nach einer ziemlich romantischen Lebensweise. Zumal Precht meint, dass dieses Haus ob seiner vielen Pflanzen auch noch einen ganz besonderen Duft verströmen würde.
Man könnte fast meinen, er habe mit diesem Haus der alten chinesischen Weisheit des Yin und Yang seine eigene Duftnote verpasst. Ein jedenfalls schöner Gedanke.
Text: Johannes Stühlinger Bilder: Penda/Chris Precht
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