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Erste Brücke aus dem Drucker

Eine bessere Metapher gibt es nicht. Eine Brücke über den alten Amsterdamer Kanal, der die Geschichte der Stadt mit der Technologie der Zukunft verbindet. Das beste aus beiden Welten in einem Bauwerk vereint, das die Grenzen des technologisch Machbaren neu auslotet. Das Bauwerk des digitalen Brückenbau-Kollektivs MX3D besteht aus Stahl und kommt aus dem 3D-Drucker.

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Die Designer des federführenden Studios Joris Laarman Lab waren in Los Angeles auf dem Weg zu einem Sponsor, um ihre 3D-Druck-Roboter zu präsentieren. Sie hatten bereits ein Lounge-Möbel namens Dragon Bench aus Stahl gedruckt, suchten aber nach einem größeren Vorzeigeprojekt, das die zukünftigen Möglichkeiten eindrucksvoll veranschaulichen könne. So kamen sie auf die Brücke. Der metaphorische Wert als architektonisches Verbindungsstück könnte nicht eingängiger sein. Nachdem die Architektur-Visionäre Arthur Mamou-Mani und Studio Precht mit ihren 3D-Drucken aus Sand die Bautradition bereits auf den Kopf stellten, setzen die niederländischen Designer nun den nächsten Meilenstein im Städtebau.

Die smarte Struktur

Das geschwungene und schnörkelige Design der Brücke erinnert mehr an die Voluten der Renaissance als an den Städtebau der Zukunft. Doch der erste Eindruck täuscht. Bei der Entwicklung der organischen, verspielten Form waren Algorithmen maßgeblich beteiligt. Dadurch wurde eine smarte Struktur geschaffen, die den Druckprozess ebenso berücksichtigt wie die Funktionalität und den künftigen Bestimmungsort.

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Eine Welt gänzlich neuer Möglichkeiten tut sich vor uns auf, von der wir gerade einmal die Umrisse sehen.

Joris Laarman Lab, Designer

Künstliche Intelligenz ist in der Lage, große und komplexe Daten zeitgleich zu analysieren und eine den Parametern entsprechende optimale Lösung zu finden. So konnte schon während des Design-Prozesses ein möglichst sparsamer Materialeinsatz bei zugleich optimalen statischen Verhältnissen berechnet werden.

Eine neue Form des Handwerks

Für die Designer von Joris Laarman tun sich mit der Entwicklung der Brücke als erstes großformatiges Projekt neue Horizonte auf. „Es fühlt sich wie die Entdeckung eines neuen Kontinentes an. Eine Welt gänzlich neuer Möglichkeiten tut sich vor uns auf, von der wir gerade einmal die Umrisse sehen“, heißt es in einem Statement.

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Durch den Einsatz von High-Tech-Werkzeugen wird das Handwerk wieder einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen.

Joris Laarman Lab, Designer

Die Design-Pioniere, die mit ihren Arbeiten regelmäßig in den größten Kunstmuseen der Welt vertreten sind, sehen sich selbst als Wegbereiter einer neuen Form des handwerklichen Arbeitens. „Handwerk sollte nicht als etwas Nostalgisches gesehen werden, sondern als etwas, das sich stets weiterentwickelt. Etwas, das durch den Einsatz von High-Tech-Werkzeugen wieder einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen wird“, erklären die Designer ihr Selbstverständnis.

Innovatives Brückenbau-Kollektiv

Für die Amsterdamer Stahlbrücke und künftige digitale Bauprojekte haben sich die High-Tech-Designer mit einem Pool an Experten zusammengeschlossen, von Roboter-Spezialisten und Metallverarbeitern bis hin zu Schweißern. Als Robotik-Firma MX3D statten sie typische Industrie-Roboter mit speziell angefertigten Werkzeugen aus und entwickeln die dafür nötige Steuerungssoftware. „Diese einzigartige Herangehensweise erlaubt es uns, stabile, komplexe und feingliedrige Strukturen aus Metall zu drucken“, so Joris Laarman. 

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Den Bau der 12 Meter langen Fußgängerbrücke erledigten Roboterarme, die Schicht für Schicht  geschmolzenen Stahl auftrugen. Das Bauwerk, das auf der Dutch Design Week erstmals präsentiert wurde, soll als Showcase für neue Anwendungsmöglichkeiten des dreidimensionalen Drucks dienen. Ein erster Auftraggeber für das innovative Brückenbau-Kollektiv hat sich mit der Stadt Amsterdam bereits gefunden.

Diese einzigartige Herangehensweise erlaubt es uns, stabile, komplexe und feingliedrige Strukturen aus Metall zu drucken.

Joris Laarman Lab, Designer

Sobald die Kanalrenovierungen abgeschlossen sind, wird die erste 3D-gedruckte Brücke der Welt in Amsterdams Rotlichtviertel De Wallen ihren Einsatz antreten. Dort wird sie die Ufer einer der ältesten und bekanntesten Grachten, der Oudezijds Achterburgwal, miteinander verbinden.

Eine Brücke, die lernt

Als Ergänzung ihres High-Tech-Designs wurde die Brücke mit einem smarten Sensor-Netzwerk ausgestattet. Dieses misst ihre Performance in Form von Belastung, Vibration, Rotation und Verschiebung. „Diese Daten machen die Brücke intelligent. Wir können sagen, wieviele Menschen die Brücke passieren und wie schnell“, sagt MX3D.

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Dies erlaubt den Brückenbauern eine Überwachung ihrer Funktion in Echtzeit. Mögliche Änderungs- oder Wartungsarbeiten können zuerst am digitalen Zwilling getestet werden. Mit den gesammelten Informationen wird auch der bestehende Algorithmus gefüttert. Künftige Brücken aus dem Drucker werden dadurch noch effizienter, ressourcenschonender und sicherer.

Text: Gertraud GerstFotos: Adrian de Groot, Joris Laarman Lab, Friedman Benda

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