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Die öffentliche Hand greift zum Holz

Zugegeben: Saue ist keine Weltmetropole. Die 1920 gegründete Gemeinde liegt im Norden Estlands, 18 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Tallinn und hat rund 5.000 Einwohner. Wikipedia hebt in der deutschsprachigen Version hervor, dass die seit 1994 eigenständige Stadt über ein 21 Kilometer langes Straßennetz verfügt und dass der berühmteste Sohn des Ortes der 1983 geborene Fußballer Ingemar Teever ist – immerhin ein 30-facher Teamspieler und zweimaliger Liga-Topscorer.

Verwaltung mit Privatsphäre

Noch keine Erwähnung findet das 2021 eröffnete Gemeindezentrum. Das 1.300 Quadratmeter große Gebäude, das nach Plänen des estnischen Architekturbüros Molumba um 2,5 Millionen Euro errichtet wurde, liegt im südlichen Teil des zentral gelegenen Keskuse Parks. Von außen betrachtet erfüllt es bereits eine wichtige Aufgabe: Der Vollholzbau wirkt nicht wie ein normales Büro- und Verwaltungsgebäude, sondern fügt sich harmonisch wie ein Pavillon in die gepflegte Parklandschaft.

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Der Widerspruch zwischen entspannter Privatsphäre und der prominenten öffentlichen Lage der Arbeitsumgebung wurde von den Projektarchitekten Mae Köömnemägi und Heidi Urb durch eine zweischalige Fassade gelöst. Die archaischen, überdachten Torbögen, die in das lakonische Dreiecksvolumen eingeschnitten sind, betonen die verwaltungstechnische Kompetenz des Bürogebäudes im städtischen Kontext. Gleichzeitig dienen sie als öffentlicher Schutzraum im Park und sorgen für angenehme Beschattung der Innenräume.

Privat trifft auf amtliche Seriosität

Für die Grünraumgestaltung war das Innenarchitekturbüro Polka zuständig (falls Sie Wörter mit vielen Selbstlauten mögen: auf estnisch heißt das „Ruumikujundusbüroo“); es sorgte für einen fließenden Übergang zwischen Verwaltungsgebäude und der von Saues Einwohnern gerne genutzten Parkanlage. Der Innenhof und der Parkplatz des neuen Gemeindezentrums befinden sich auf der Südseite der Anlage. Hier wurde das Relief bis zum zweiten Stock angehoben, um den Mitarbeitern in ihren Pausen einen privateren Zugang zum Park zu ermöglichen. Die Bänke zwischen den niedrigen Sträuchern am Hang bieten aber auch den Anwohnern gemütliche Sitzmöglichkeiten.

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Die innere Logik des neuen Gemeindezentrums von Saue basiert ebenfalls auf der Idee der Schichtung: Der äußere Bereich des Gebäudes beherbergt einen freundlich-hellen Empfangsbereich mit gemütlichen Sitzgelegenheiten und öffentliche Arbeitsflächen, die sich um den quadratischen Kern des dreieckigen Gebäudes legen. Der geschlossene innere Bereich beherbergt auf zwei Etagen den Ratssaal, kleinere Sitzungsräume und andere Büros für tägliche Verwaltungsaufgaben.

Unterschwellige Stimuli

Prominent in Szene gesetzt wird der natürliche Baustoff aus estnischen Wäldern durch die Verwendung von Brettsperrholzplatten, international besser bekannt unter dem Akronym CLT (Cross Laminated Timber). Die äußere Schicht der CLT-Paneele liegt im Inneren frei, wobei der Holzcharakter durch die abgeschliffenen Oberflächen zusätzlich hervorgehoben wird.

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Die Vollholzbauweise erfüllt alle Anforderung für die Energieeffizienzklasse A. Gleichzeitig fördert sie das Wohlbefinden der Mitarbeiter und der Besucher, die auf ihren Amtswegen von der sensorischen Vielfalt des Holzes profitieren. Das Architekturbüro Molumba setzt bei seinen Plänen auf die unterschwelligen Stimuli, die von Holzoberflächen ausgehen und das menschliche Gehirn sowohl beruhigen als auch kreativ anregen.

Innovation dank öffentlicher Hand

Obwohl das Architekturbüro Molumba erst 2017 von Karli Luik und Johan Tali gegründet wurde, konnten sich die beiden Architekten und ihr sechsköpfiges Team seither bereits über 40 nationale und internationale Preise freuen; das Gemeindehaus in Saue wurde bei der estnischen International Wood Architecture Conference 2020 sogar als Holzhaus des Jahres ausgezeichnet.

Die Verwendung von Brettsperrholz ist innovativ, intelligent, rationell und nachhaltig. Auch die Funktionalität des Gebäudes ist hervorragend. Es ist eine gelungene architektonische Form mir klaren historischen Bezügen.

Yoko Alender

In der Begründung, die nicht zuletzt den architektonischen Mut und das gründliche Nachdenken über den Werkstoff Holz in den Mittelpunkt stellte, hieß es unter anderem: „Die Gemeinde Saue und das Gemeindehaus sind ein gutes Beispiel dafür, wie der öffentliche Sektor eine Vorreiterrolle bei der Popularisierung von Holzgebäuden spielen kann. Der Bau großer Holzgebäude – wie Rathäuser, Schulgebäude oder Ministerien – trägt dazu bei, Entwicklungen in der Holzarchitektur in Estland voranzutreiben.“

Innovativ, intelligent nachhaltig

Für Jury-Mitglied Yoko Alender ist Molumbas Arbeit in Saue nicht weniger als „ein architektonisches Kunstwerk“ und ein „Zeichen der Zeit“: „Die Verwendung von Brettsperrholz ist innovativ, intelligent, rationell und nachhaltig. Auch die Funktionalität des Gebäudes ist hervorragend. Es ist eine gelungene architektonische Form mir klaren historischen Bezügen.“

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Überhaupt, sagt der Architekt Yoko Alender, werden Gebäude aus Holz immer mehr „zum Markenzeichen Estlands – es ist unsere eigene Sache, die es wirklich wert ist, auf allen Ebenen weiterentwickelt zu werden. Unsere Holzarchitektur scheint den lang erwarteten Qualitätssprung gemacht zu haben – die Bauwerke zeigen Funktionen auf hohem künstlerischem, aber auch realistischem Niveau.“

Holzbau fürs Klima

Sein Jury-Kollege Henrik Välja, Geschäftsführer des estnischen Verbandes der Forst- und Holzwirtschaft, schlägt in dieselbe Kerbe: „Angesichts der globalen Klimaprobleme und des ökologischen Fußabdrucks, den die Produktion von Beton oder Stahl hinterlässt, wird die Holzbauweise sicherlich eine wichtige Rolle bei der Verringerung des CO2-Fußabdrucks des Bausektors spielen.“

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Zumal Estlands Waldgebiete eine Größe von rund 24.300 Quadratkilometer umfassen – und damit 56,1 Prozent der baltischen Republik am Finnischen Meerbusen (was es anteilsmäßig hinter Finnland, Schweden, Slowenien und Montenegro zur Nummer 5 Europas macht). „Die Verbraucher werden immer umweltbewusster“, sagt Henrik Välja. „Sie bevorzugen beim Bau oder bei der Renovierung ihrer Häuser Materialien, deren Herstellung weniger Auswirkungen auf die Umwelt hat." Und die uns auch bei Amtswegen ruhiger atmen lassen.

Text: Hannes Kropik Fotos: Tõno Tunnel

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