Design ohne Barrieren
Wer vom „olympischen Gedanken“ spricht, meint für gewöhnlich das Motto „Dabei sein ist alles“. Der Wunsch, tatsächlich dabei sein zu können, bleibt Menschen mit Behinderung jedoch noch vielerorts verwehrt. Treppen, fehlende oder zu kleine Lifte, schmale Türen: Auch wenn man sich inzwischen bemüht, barrierefrei zu bauen, sind derlei Hürden für viele nach wie vor bitterer Alltag. Ein Musterbeispiel moderner Architektur, die niemanden ausschließt, soll nun im Mai eröffnet werden: Das neue, vom Büro Diller Scofidio + Renfro umsichtig barrierelos konzipierte Olympische and Paralympische Museum in Colorado Springs.
Vorab gelobt, gespannt erwartet
Dass den renommierten New Yorker Architekten mit dem Konzept zum neuen Olympischen Museum ein großer Wurf gelungen ist, steht außer Frage. Nicht umsonst bezeichnet die New York Times das Olympic & Paralympic Museum als einen jener Orte, die man heuer betrachten sollte. Das Fachmagazin Architectural Digest nennt es gar eines der am meisten erwarteten Gebäude – gleichauf mit dem Central Park Tower New York City und dem Vista Tower in Chicago, die ebenfalls 2020 fertiggestellt werden sollen.
Das Projekt des barrierefreien Olympischen und Paralympischen Museums hatte in den vergangenen Jahren seinerseits einige Hürden zu nehmen. 2013 im Rahmen der Forderung der Stadt nach Staatsgeldern zur Förderung des Tourismus genehmigt, wurden die Kosten damals noch mit 60 Millionen US-Dollar angesetzt. Doch dabei blieb es nicht.
Modernste Technik, hohe Kosten
Ausgefeilte Technik für außergewöhnliche Besuchererlebnisse war gewünscht. Die Größe des geplanten Cafes wurde verdreifacht. Wie der „Colorado Springs Independet“ berichtet, musste das Budget auf 90 Millionen US-Dollar erweitert werden, um alle Änderungswünsche zu finanzieren. Ein fast olympisch anmutender Kosten-Hochsprung, der sich jedoch gelohnt haben dürfte.
Das rund 5.600 Quadratmeter große Olympische Museum befindet sich am Fuß der Rocky Mountains in Colorado Springs, der Heimat des United States Olympic Training Center. Der prächtige Neubau wird eine neue Achse bilden, die die Innenstadt von Colorado Springs mit dem „America the Beautiful Park“ im Westen verbindet. Wichtiges Element dieser Anbindung ist ein spektakulärer Fußgängerübergang, der die Bahntrasse überbrückt.
Rampen, Spiralen und Impressionen
Die dynamische Bauform des Olympischen Museums ist inspiriert von der Energie und Anmut der Olympioniken im Wettbewerb. Die Galerien, das Auditorium und die Verwaltungsräume sind spiralförmig angelegt. Sie erstrecken sich zentrifugal um das zentrale Atrium. Der Galeriebesuch wird von einem diagonalen Hintergrundlicht geleitet, das mit Blick auf die umliegende Stadt endet.
Ein Aufzug bringt ankommende Besucher ins lichtdurchflutete Atrium. Von dort gelangen sie schrittweise durch eine Abfolge von Loft-Galerien in die tieferen Ebenen. Der Weg führt dabei über eine lange, spiralförmige Rampe – ohne Stufen oder Hindernisse. Treppen finden sich ausschließlich im Personal- und Außenbereich und bei den Notausgängen. Und wo Besuchern doch Stufen zur Verfügung stehen, gibt es Alternativen für Rollstuhlfahrer.
Olympisches Museum mit „Live“-Angebot
Das Museum verfügt über eine rund 1.860 Quadratmeter große interaktive Ausstellungsfläche. Hier findet sich auch die „Parade of Nations“, die Besuchern hautnah die Spannung einer pulsierenden Stadion-Eröffnung vermittelt.
Der Vorstand war darauf bedacht, das Budget zu erhöhen, um sicherzustellen, dass die Technologie auf dem neuesten Stand ist, die Erfahrung der Gäste unübertroffen und alle Elemente erstklassig sind – von Architektur bis zu Hardware und Software.
In der Winterspielgalerie wird die Neigung der Gebäudeform zum eiskalten Hang saison-typischer Sportveranstaltungen mit Bob, Snowboard und Skeleton-Schlitten. Das introspektive Atrium und der weite Blick auf die Stadt leiten durch die verschiedenen Ausstellungen – so angelegt, dass jeder Besucher das Museum in seinem eigenen Tempo genießen kann.
In Sachen Technologie spielt Colorado Springs‘ Olympisches und Paralympisches Museum in der Tat modernste Stücke. So können Besucher sich maßgeschneiderte Erlebnisse verschaffen, indem sie ihre Lieblings-Sportler und -Sportlerinnen nennen: Ein in den Zulassungsnachweis eingebetteter RFID-Chip (Radio Frequency Identification) ruft dann bei jedem Exponat einen bestimmten Inhalt auf.
Auf Tuchfühlung mit Olympioniken
Und dies ist längst nicht alles, wie das Lokalmedium „Colorado Springs Independet“ vorab beschreibt: Eine digitale US-Landkarte zeigt die Heimatstädte der Olympioniken. Dazu gibt es Information über jeden olympischen oder paralympischen Athleten, der bisher für das Team der USA angetreten ist.
Die Athletentrainingsgalerie des Olympischen Museums bietet verschiedene interaktive Funktionen. So können Besucher hier auf einer 30-Meter-Strecke gegen virtuelle Olympioniken antreten. Auch ein Bogenschießwettbewerb, Abfahrten auf einer virtuellen Piste oder Eishockey-Matches für Spieler mit Behinderung können quasi „live und persönlich“ absolviert werden. Und speziell programmierte Videos sollen den Gästen virtuelle Gespräche mit Athleten ermöglichen.
Nicht nur Sport-Fans fiebern der lang ersehnten Eröffnung des U.S. Olympic & Paralympic Museum in Colorado Springs entgegen. Die vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannte neue Kultureinrichtung setzt auch architektonisch neue Maßstäbe – nicht allein, was Inklusion betrifft. Sie ist ein weiteres aufsehenerregendes Projekt im Portfolio des Architekturbüros Diller Scofidio + Renfro, das unter anderem auch das außergewöhnliche New Yorker Kulturzentrum „The Shed“ designt hat.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Diller Scofidio + Renfro
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