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Aquatektur für das nasse Element

Wenn ein Projekt Proteus heißt, kann es nur mit dem Meer zu tun haben: Proteus ist ein Meeresgott in der griechischen Mythologie. Er hütet die Robben und Meeresgeschöpfe der olympischen Gottheit Poseidon. Und diesen Namen trägt auch der Entwurf zur geplanten „weltweit fortschrittlichsten und größten Unterwasserforschungsstation”.

Ihr Initiator ist Fabien Cousteau. Und auch dieser Name spricht Bände – ist er doch ein Enkel des legendären Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau. Das Design dazu liefert der Industriedesigner Yves Béhar. Er lieferte auch das Design für das erste, ganze Dorf aus dem 3D-Drucker, das in Kooperation mit ICONbuild in Lateinamerika geplant wurde.

ISS der Tiefen

Analog zur internationalen Raumstation ISS, nur eben unter Wasser, soll die Meeresstation bis zu 12 Wissenschaftlern als Labor und gleichzeitig Wohnraum dienen – Wellnessbereich inklusive. Dank des direkten Zugangs zum Meer – und das über längere Zeiträume hinweg, bis zu 30 Tage Aufenthalt am Stück sollen möglich sein – können sie die Unterwasserwelt gründlich und auf revolutionäre Art erforschen.

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Im Idealfall werden die Wissenschaftler und Aquanauten, Menschen, die sich 24 Stunden und länger unter Wasser aufhalten, neue Spezies von Meereslebewesen entdecken sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozeane analysieren und fortschrittliche Technologien für das Leben im Element Wasser testen.

Den Angaben der gemeinnützigen Organisation Fabien Cousteau Ocean Learning Centers (FCOLC) zufolge umfasst Proteus auf zwei Ebenen eine Fläche von rund 4.000 m². Die Station wird über ein Gewächshaus verfügen, sodass die Forscher ihr eigenes Gemüse ziehen und Nahrungsmittel anbauen können.

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Auf Tauchkurs

Die Station soll vor der Karibik-Insel Curaçao rund 18 Meter unter dem Meeresspiegel abgesenkt werden. Die Aquanauten sind den herrschenden Druckverhältnissen permanent ausgesetzt und werden erst nach Beendigung ihrer Arbeiten langsam dekomprimieren, ein Vorgang, bei dem im Körpergewebe gebundenes Gas fortschreitend abgeatmet wird.

Der gebürtige Schweizer Béhar arbeitet mit seinem Unternehmen Fuseproject laut Medienberichten unter anderem auch an „Robotermöbeln für winzige Wohnungen”. Eine seiner Erfindungen ist „FORME life“, eine auf KI-Technologie basierte, interaktive Fitness-Maschine, die sich mit ihrem schlanken Design und der verspiegelten Oberfläche fast unmerklich in den Wohnraum integriert. Seine Erfahrungen mit funktionellem Design in beengten Raumverhältnissen dürften dem Projekt Proteus zum Vorteil gereicht haben.

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Die innovative Rumpf- und Kompositbautechnologie erlaubt eine retro-futuristische, von Science-Fiction inspirierte Anmutung des Unterwasser-Lebensraums. Das Design versucht die Rahmenbedingungen, die das Leben in einer Unterwasserstruktur mit sich bringen – soziale Isolation, Lichtmangel, Bewegungsmangel und so weiter – abzumildern.

Soziale Fitness

Die kreisförmigen Haupträume sind daher so gestaltet, dass sie Teamarbeit und soziale Interaktion fördern. Darum herum sind die Labors, Badezimmer und Schlafzimmer angeordnet. Die zwei Stockwerke sind versetzt aufgebaut, damit möglichst viel natürliches Licht hindurch kommt. Die schräge Verbindungsrampe bietet gleichzeitig die Möglichkeit zu körperlicher Aktivität.

Natürliche Substanzen aus den Meeren haben sich als äußerst wirksam und entscheidend für die Entwicklung neuer Medikamente erwiesen – und doch haben wir erst fünf Prozent unseres Ozeans und weniger als ein Prozent der Tiefsee erforscht.

FCOLC

Die Weltmeere, als lebenserhaltendes System, seien für die Lösung der größten Herausforderungen, mit denen die Menschheit sich konfrontiert sieht, unverzichtbar, meint Fabien Cousteau. Klimawandel, Anstieg des Meeresspiegels, Naturkatastrophen, Viren und so weiter bedrohten die Weltwirtschaft mit einem finanziellen Risiko in Höhe von mehreren Billionen Dollar.

Mit Proteus wolle man sinnvolle Lösungen vorantreiben. Die Wissenschaftler benötigten Möglichkeiten der langfristigen In-situ-Beobachtung. Die Entdeckungen werden die Art und Weise, wie Generationen von Menschen „oben” leben, für immer verändern, ist man beim FCOLC überzeugt.

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Tiefsee-Tourismus

Proteus soll ganz im Sinn der Familientradition der Cousteaus mit erneuerbarer Energie betrieben werden – einem Mix aus Wind- und Sonnenenergie sowie OTEC-Technologie (Ocean Thermal Energy Conversion). Bei letzterem macht man sich die Temperaturunterschiede zwischen warmem Wasser an der Oberfläche und kaltem Wasser aus der Tiefsee zur Stromerzeugung zunutze.

In einer späteren Phase ist auch daran gedacht, zivile Besucher in die Station aufzunehmen. Ob und wann das Projekt Proteus wirklich realisiert wird, ist aber noch nicht klar. Es fehlen noch potente Geldgeber.

Architektur auf und unter Wasser

Jedenfalls kann Proteus auch auf bereits vorhandene Ideen und Konzepte aufbauen: Die Tiefen des Ozeans haben die Menschheit immer schon fast gleichermaßen fasziniert, wie das Weltall. Nicht nur das: Angesichts von immer mehr heimatlosen Klimaflüchtlingen, im steigenden Meeresspiegel versinkenden Inseln, durch Dürre-Katastrophen und Verschmutzung unbewohnbar gewordenen Landstrichen sowie generell knappem Wohnraum sehen etliche Experten die Lösung in der Erschließung der Weltmeere. Aquatektur heißt der Fachbegriff.

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Lilypads für Flüchtlinge

So entwarf der belgische Architekt Vincent Callebaut die „Lilypads”: Prototypen einer autarken, amphibischen Stadt für künftige Klimaflüchtlinge. Auch die UNO hat die Idee aufgegriffen: Das dänische Star-Architekten-Büro BIG hat für das Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen, UN-Habitat, die Vision für die weltweit erste nachhaltige schwimmende Gemeinde mit 10.000 Einwohnern auf 75 Hektar auf das Reißbrett gebracht, Oceanix City.

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Die Spitze des Eisbergs

Weiteres Beispiel: Die „Floating City” der chinesischen Baufirma CCCC-FHDI Engineering. Sie hat vor sechs Jahren das AT Design Office damit beauftragt, eine vier Quadratkilometer große Stadtinsel der Meere zu entwerfen.

Tatsächlich submarin ist die Vision „Ocean Spiral“ des japanischen Bauunternehmens Shimizu Corporation. Nur die Spitze ragt aus dem Wasser. Darunter verbirgt sich eine Unterwasserstadt. Das Ziel: Die Erde soll sich dank des großen Potenzials der Tiefsee regenerieren können.

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Seascraper zu kaufen, mit Hotel

Wie sieht es aus, wenn man ein Hochhaus plus Hotel plant und baut, das tief nach unten, in die See, geht? Dieses Hochhaus kann man sogar kaufen: Wenn man dafür die Kleinigkeit von einer Milliarde US-Dollar springen lassen kann und will. Der „Seascraper” des Architekten Mathias Koester ist als bewohnte Insel geplant, die kopfunter ins Meer hineinragt.

Dieses Bauwerk ist eine wundersame Kombination aus Hotel, Erholungs-Oase und wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Ringform wurde gewählt, um dem Wasserdruck optimal standzuhalten. Aus demselben Grund verjüngen sich die Bodenplatten nach unten hin. Der bis zu 400 Fuß tief ins Wasser eingetauchte Hauptkörper wird durch einen Schwimmring stabilisiert, der über eine bewegliche Brückenstruktur verbunden ist. Auf diese Weise sei die vertikale Position des Baukörpers jederzeit sichergestellt.

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Ein Architekten-Kollege, der sein Wirken dezidiert Unterwasser-Lebensräumen verschrieben hat, ist der Franzose Jacques Rougerie. Sein „SeaOrbiter”, oder vertikales Schiff, versteht sich – wie Proteus – ebenfalls als Laboratorium und ist für eine Besatzung von 18 bis 22 Aquanauten gedacht. Der Rumpf ist aus Aluminium, die Fenster bestehen aus Methacrylat. Von den 51 Metern Gesamthöhe sollen 30 Meter unter Wasser sein.

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Empire State Building der Meere

Einen weiteren Waterscraper hat der malaysische Designer Sarly Adre Sarkum vorgelegt: Es ist ein schwimmendes, energieautarkes Hochhaus von der Größe des Empire State Building. Der größte Teil liegt unter Wasser, gewohnt wird unter der Wasserlinie.

Fest steht: Der Traum vom Leben unter Wasser wird nicht erst seit Jules Vernes Roman aus dem 19. Jahrhundert „20.000 Meilen unter dem Meer“ geträumt.

Text: Linda BenköVisualisierungen: MKA, ARCHVIZ Mallorca, Jacques Rougerie, FCOLC, fuseproject, Vincent Callebaut, Sarly Adre Sarkum, BIG, UN Habitat

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