Mit Klarheit für Frieden sorgen
Die passende Rechtsform und gegebenenfalls ein individueller Gesellschaftsvertrag sind gleichsam der Maßanzug für Unternehmen, ist die Feldbacher Notarin Michaela Künzel-Painsipp überzeugt.
Gründern können für ihr Unternehmen aus verschiedenen Rechtsformen wählen. Wie findet man aber die am besten passende Rechtsform?
Michaela Künzel-Painsipp: Das ist ein komplexes, aber extrem wichtiges Thema, da die Rechtsform Auswirkungen in verschiedenen Bereichen hat. Dazu gehören etwa Steuerrecht und Sozialversicherung. Grundsätzlich sind aber auch der Kapitalaufwand, die Vermögenssituation der Gesellschafter und das Thema der Haftung zu bedenken.
Man sollte sich also ausreichend Zeit für die Wahl der Rechtsform nehmen?
Definitiv – und man sollte unbedingt Experten konsultieren.
Wobei die Rechtsform ja nicht in Stein gemeißelt ist, man kann sie ändern. Kommen Umgründungen häufig vor?
In den Pandemiejahren hat es viele Umgründungen gegeben. Meist war der Grund, dass sich die Erträge geändert haben. So mancher, dessen Erträge eingebrochen sind, hat die Rechtsform seines Unternehmens von der GmbH auf eine Personengesellschaft geändert. Wo die Erträge explodiert sind, war es genau umgekehrt.
Warum?
Bei einer Personengesellschaft muss jeder Gesellschafter Einkommensteuer (progressiver Steuersatz bis zu 50 Prozent) von dem ihm zugewiesenen Gewinnanteil zahlen, unabhängig davon, ob dieser tatsächlich entnommen wird. Die Gewinne der GmbH hingegen werden direkt bei der Gesellschaft mit 25 Prozent Körperschaftssteuer besteuert. Nur bei einer tatsächlichen Ausschüttung von Gewinnen an die Gesellschafter werden 27,5 Prozent KEST fällig. Andererseits sind die laufenden Kosten bei einer GmbH höher, man muss beispielsweise Jahresabschlüsse erstellen und beim Firmenbuch einreichen. Personengesellschaften brauchen meist nur eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und es trifft sie keine Veröffentlichungspflicht.
Ist nicht auch die Haftung ein weiterer Grund für die Beliebtheit von GmbHs?
Prinzipiell ja. Während Gesellschafter einer Personengesellschaft auch mit ihrem gesamten Privatvermögen für Schulden der Gesellschaft haften, haftet der Gesellschafter einer GmbH, wenn er seine Stammeinlage zur Gänze geleistet hat, für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht. Die Gläubiger können grundsätzlich nur auf das Gesellschaftsvermögen greifen. So schaut zumindest die Theorie aus. Denn in der Praxis verlangen Banken meist Bürgschaften oder Schuldbeitritte der Gesellschafter, sodass diese in der Realität sehr oft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft so haften als wären sie persönlich haftende Gesellschafter. Die GmbH ist vom Gesetz aber auch viel klarer und genauer geregelt als Personengesellschaften, ein Gesellschaftsvertrag ist z.B. verpflichtend vorgeschrieben.
Gibt es den bei Personengesellschaften nicht?
Doch, aber sie können formfrei und ohne Notar geschlossen und abgeändert werden. Das birgt Risiken im Streitfall, besonders, wenn sie nur mündlich abgeschlossen wurden.
Bei einer schweren Krankheit lade ich mir auch keine Behandlungstipps aus dem Internet herunter, sondern gehe zum Facharzt.
Risiken bergen aber auch Gesellschaftsverträge, die auf Online-Vorlagen beruhen …
Das stimmt. Ein individueller Gesellschaftsvertrag kann den Interessen der Gesellschafter tatsächlich Rechnung tragen. Darüber hinaus geht es darum, sie gegen alle möglichen Eventualitäten abzusichern, an die die Gründer im Moment der Gründung gar nicht denken. Dazu gehört beispielsweise, dass ein Gesellschafter stirbt oder aus welchen Gründen auch immer ausscheiden will. Dazu kommt, dass das Rechtssystem immer komplexer wird. Ein Laie kann das kaum mehr überblicken und verstehen. Letztendlich ist es wie bei einer schwereren Krankheit: Da lade ich mir auch keine Behandlungstipps aus dem Internet herunter, sondern gehe zum Facharzt.
Was kann mittels Gesellschaftsvertrag alles geregelt werden?
Im Prinzip werden die Rechte und Pflichten der Gesellschafter festgelegt. So gilt es zu klären, wie Anteile abgetreten werden können, ob es Zustimmungspflichten, Aufgriffs- und Vorkaufsrechte gibt, wenn ein Gesellschafter aussteigen will und ob ein Gesellschafter den Vertrag aufkündigen kann. Außerdem sollte man die Vorgangsweise für den Fall regeln, dass ein Gesellschafter stirbt: Muss man die Erben als neue Gesellschafter akzeptieren? Und wenn nein, zu welchen Bedingungen können die anderen Gesellschafter die Anteile der Erben aufgreifen? Wobei die konkrete Einsetzung von Erben im Testament jedes einzelnen Gesellschafters zu erfolgen hat, der Gesellschaftsvertrag regelt dann die Rechte der übrigen Gesellschafter. Nicht zuletzt können im Gesellschaftsvertrag die Rechte von Minderheitsgesellschaftern abgesichert oder die Beschlussmehrheiten und die Gewinnbeteiligung geregelt werden. Um zu verhindern, dass ein Gesellschafter Gesellschafterbeschlüsse dauerhaft blockieren kann, sollten ebenfalls entsprechende Regelungen aufgenommen werden.
In der letzten Zeit ist das Thema Mitarbeiterbeteiligung – nicht zuletzt wegen deren abgabenrechtlichen Begünstigung – ins Blickfeld geraten. Bringt diese Ausweitung des Gesellschafterkreises nicht neue Herausforderungen?
Natürlich. Eine Frage, die sich dabei beispielsweise stellt, ist jene, was mit den Gesellschaftsanteilen passiert, wenn der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheidet. Sei es, weil er das Unternehmen verlässt, sei es, dass er in Pension geht. Meist wird vereinbart, dass der oder die anderen Gesellschafter den Anteil zu einem gewissen vereinbarten Betrag zurückholen kann. Ebenfalls wichtig ist es in diesem Fall, die Position des Unternehmers als Geschäftsführer so zu stärken, dass er nicht so leicht seitens der beteiligten Mitarbeiter abberufen werden kann. Möglich wäre auch eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Stimmrechtsverteilung. All das muss im Vorfeld sehr genau besprochen und durchdacht werden.
Ein maßgeschneiderter Gesellschaftsvertrag scheint tatsächlich eine Menge Vorteile zu haben ...
Ich bin überzeugt davon, dass Klarheit für Frieden und Sicherheit sorgt, während Unklarheit zu Unfrieden und Unsicherheit führt. Letzteres ist sowohl im Privatbereich als auch im oder für Unternehmen nicht zielführend und kann für einen Betrieb sogar existenzgefährdend werden.
Danke für das Gespräch!