Lukas Feiner über Inflation: „Totgesagte leben länger“
Nach zwei langen Jahren der Pandemie blicken wir hoffnungsvoll „auf einen Sommer wie damals“. Und doch war die Welt „damals“ eine andere. Trotz Vollbeschäftigung und robuster Konjunktur in den USA, Deutschland und Österreich schaffte es die Inflationsrate im vergangenen Jahrzehnt nicht in die Nähe der magischen 2-Prozent-Marke, die den Zentralbanken Anlass zur Abkehr von ihrer Niedrigzinspolitik gegeben hätte.
Das Credo des letzten Jahrzehnts lautete: Die Inflation sterbe den langsamen Tod, denn nachhaltige Lohnsteigerungen seien aus Angst vor Automatisierung und Digitalisierung nicht mehr durchsetzbar.
März 2022: Der US Fed Chef Powell sieht die Vollbeschäftigung wieder erreicht, angesichts einer Inflationsrate von 7,9 Prozent sei es höchste Zeit entschlossen zu handeln. Auch Europa verspürt Druck bei einer Inflation von 5,1 Prozent in Österreich sogar nahe 6 Prozent, jedoch wird ein ähnlich entschlossenes Vorgehen in diesem Jahr wegen des Ukrainekonflikts deutlich erschwert. Nachdem im letzten Jahr beim Auftauen der globalen Wirtschaft nach dem Schockfrost durch Lockdowns vieles wie Computerchips, Baumaterialien und Arbeitskräfte knapp wurden, kommt nun eine potenzielle Rohstoffkrise hinzu, die das Preisumfeld schnell steigen lassen, wie seit 40 Jahren nicht mehr. Die gute Nachricht: die Lage wird sich wieder entspannen, die Frage ist nur wann.
Die schlechte Nachricht: mit der anhaltenden Nullzinspolitik in Europa schreitet der reale Kaufkraftverlust schneller voran denn je. Wer heute einen 100-€-Schein in eine zehnjährige, deutsche Staatsanleihe mit einer Rendite von 0 Prozent investiert, der erhält sein Geld mit hoher Sicherheit bei Tilgung wieder, jedoch liegt die Kaufkraft dieses Scheins schon bei moderater, jährlicher Inflation von zwei Prozent im Jahr 2032 nur noch bei 82 €. Dieser Kaufkraftverlust ist real und knabbert unentwegt am privaten Sparvermögen der ÖsterreicherInnen.