Zwei-Drittel-Demokratie: Auch Wien hat ein Problem
Von Uwe Mauch
Das unterste Einkommens-Drittel nimmt zunehmend nicht teil an politischen Beteiligungsprozessen wie zum Beispiel Wahlen (seit heute läuft die Wahl der Arbeiterkammer-Vollversammlung auch in Wien), aber auch an Bürgerinitiativen und anderen Initiativen der Stadt oder der Zivilgesellschaft.
Das zentrale Ergebnis der repräsentativen Studie: Zwei von drei Menschen im untersten Drittel bezweifeln, dass sie selbst etwas politisch bewirken können.
"Das ist ein unglaublicher Missstand für unsere Demokratie", findet der für für Klima und Demokratie zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky klare Worte. Dabei sind die wachsenden Demokratie-Probleme in der einzigen Metropole Österreichs nur bedingt hausgemacht.
Die Tendenz zur so genannten Zwei-Drittel-Demokratie zeichnet sich weltweit ab. "Besonders in großen Städten", betont AK-Sozialwissenschafterin Sina Moussa-Lipp.
"Besonders laut sein für die Leisen"
Schwer wiegend in Wien ist aber auch eine demographische Veränderung, auf die man bisher vonseiten der Politik nicht reagiert hat. Die Mitarbeiterin der Arbeiterkammer rechnet vor: "Wien ist eine wachsende Stadt. Im Vergleich zu 2010 zählt sie um 220.000 Menschen mehr. Gleichzeitig sind aber 11.000 Personen weniger wahlberechtigt, weil sie keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Die Frage der Staatsbürgerschaft kann auf kommunaler Ebene nicht gelöst werden. Die Stadt Wien hat daher eine Reihe von Bürger-Beteiligungsinitiativen gestartet. Als einen Erfolg kann der Bildungsstadtrat die Einrichtung der Klimateams verbuchen, in denen sich derzeit etliche Wiener und Wienerinnen zum ersten Mal engagieren. Czernohorszkys Vorgabe "Besonders laut sein für die Leisen" scheint hier aufzugehen.
Weniger erfolgreich ist man in manchem Wiener Flächenbezirk. So wird beispielsweise das "BewohnerInnenzentrum" der Wohnpartner in Großjedlersdorf mit großem Aufwand betrieben, die Erfolge in einem zuletzt stark zur FPÖ tendierenden Gemeindebau-Quartier sind allerdings einigermaßen überschaubar. Es gibt viele Mieter und Mieterinnen, die von der Einrichtung noch nicht einmal gehört haben.
Forscherin Moussa-Lipp nennt als Kriterien für eine bessere Einbindung des untersten Drittel mehr aufsuchende Sozial- und Demokratiearbeit, auch mehr Qualitätskontrolle. Die möchte die Stadt ab Juni mit einem neuen Büro für Mitwirkung gewährleisten. Das Büro soll eine zentrale Anlaufstelle für NGOs, die Zivilgesellschaft, aber auch magistratische Einteilungen der Stadt und für Wiener und Wienerinnen dienlich sein.
Die Demokratie-Studie wurde nicht ganz zufällig zu Beginn der Arbeiterkammer-Wahl präsentiert. Ilkim Erdost von der AK Wien appellierte daher an alle Wahlberechtigten in den Betrieben, ihr Stimmrecht zu nützen: "Gewählt werden kann an 7.600 Standorten in Wien, noch bis zum 23. April."