Chronik/Wien

Zerstückelter Arzt-Sohn: Die Puzzleteile eines Kriminalfalls

Es gibt einladendere Gegenden als die Abelegasse 25 unweit der Wiener Ottakringer Straße. Hier soll eine 27-jährige Ungarin vor über einem Monat ihren tunesischen Freund - angeblich ein Arzt-Sohn - erstochen haben. Die Mitarbeiterin eines anliegenden Geschäfts mit Zugang zum gemeinsamen Hof meint nur: „Bei uns ist öfter die Polizei, kein Wunder bei den Leuten, die ein- und ausgehen“.

Überraschter vom Polizeiaufgebot ist ein junger Mann, der beim Verlassen des Hauses sein Rad an zwei Polizisten vorbei schiebt. Bei ihm im Stock haben die Beamten alles abgesperrt. „Ich habe von der Tat gelesen, aber nicht, dass sie nur wenige Türen weiter passiert ist. Aber man bekommt hier nur wenig von den Nachbarn mit“, sagt er.

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Wenig mitbekommen von dem vermeintlichen Mord hat bisher auch die Wiener Polizei, denn die erfuhr aus den Medien von der Bluttat. Der KURIER versucht die Puzzleteile rund um den mysteriösen Kriminalfall zusammenzusetzen.

1. Der Ablauf

Am 24. Februar soll die 27-jährige Szilvia P. mit ihrem 32 Jahre alten Freund gestritten haben. Mit einem Messer soll sie laut einem Bericht der Gratiszeitung Heute auf das Opfer eingestochen und die Leiche anschließend zerstückelt haben. In Koffern verpackt soll sie die Leichenteile in ihre Heimat Ungarn gebracht haben.

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Dort soll ihre Mutter ihr geholfen haben, die Leichenteile in Salzsäure aufzulösen. Weil das nicht funktionierte, sollen die Frauen die menschlichen Überreste in einen Kanal nahe des Dorfes Jaszalsoszentgyörgy geworfen haben. Ein junger Bub auf dem Fahrrad fand diese später.

Vergangenen Donnerstag wurde Szilvia P. in Ungarn verhaftet. Sie soll den Ermittlern Details über die Bluttat erzählt haben. Ein ungarischer TV-Sender filmte gar die Tatrekonstruktion mit und stellte die makabere Szene vom Abtrennen der Körperteile nach. Kurios ist, dass zum Zeitpunkt der Medienberichterstattung in Ungarn die Wiener Polizei noch keine Ahnung von dem Fall hatte.

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2. Die Ermittlungen

Erst am Dienstag erfuhr die Exekutive in Österreich von dem mutmaßlichen Mord – und zwar aus den Medien. Die Staatsanwaltschaft (STA) hatte – wie erst am Donnerstag bestätigt wurde – bereits vergangenen Freitag ein Amtshilfeansuchen aus Ungarn erhalten, die Wiener Polizei aber nicht einschalten können.

Das hat laut Nina Bussek, der Sprecherin der STA, auch Gründe: „Wir müssen natürlich versuchen, die Ermittlungen mit den ungarischen Behörden abzustimmen. Außerdem muss ein Richter eine Bewilligung erteilen. Das ist jetzt passiert.“

Tatsächlich untersuchten am Donnerstag – 40 Tage nach dem mutmaßlichen Mord – endlich Ermittler den Tatort. Dass die Medien besser Bescheid wissen als die Behörden ist laut Bussek nicht verwunderlich. Die Rechtshilfeersuchen bestünden meist nur aus wichtigsten Fakten.

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3. Der Tatort

Obwohl die STA Wien schon seit Freitag über den mutmaßlichen Mord Bescheid wusste, zogen zwei Tage danach neue Mieter in jene Wohnung, in der sich die Tat abgespielt haben soll. Szilvia P. kam laut Medienberichten nach der Bluttat wieder nach Wien, um den Mietvertrag – der auf das Opfer lief – zu kündigen.

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Außerdem wollte sie die Kaution ausbezahlt haben. Das Geld wurde ihr nicht ausgehändigt, die Wohnung wohl aber wieder vergeben. Niemandem dürften dort Blutspuren aufgefallen sein. Die zuständige Hausverwalterin will gar erst durch die KURIER-Anfrage vom mutmaßlichen Mord erfahren haben. Ob die neuen Mieter in der Wohnung bleiben, ist offen.

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4. Die Justiz

Nina Bussek von der STA bestätigte am Donnerstag, dass die Ergebnisse der Ermittlungen am Tatort bereits an die ungarischen Behörden weitergegeben wurden. Offen ist aber, wo der Prozess gegen die Verdächtige geführt werden soll. Derzeit sitzt sie in Ungarn in U-Haft. Weil der Tatort aber eben Wien sein soll, wäre es durchaus möglich, dass ihr hier der Prozess gemacht wird.