Chronik/Wien

Wiens erstes Fitnessstudio für Menschen mit Übergewicht

"Fitness for every body" -  also "Fitness für jeden Körper" - steht am Fenster zu einem kleinen Kellerraum in der Dopplergasse in Simmering. An der Glastür steht in Pastelltönen "Elly Magpie". "Magpie heißt auf Englisch Elster", erklärt Elisabeth Axmann-Marcinkowski und öffnet die Tür zu ihrem kleinen Reich, einem Fitness-Studio im Untergeschoss.

Die 33-Jährige arbeitet eigentlich im Finanzmanagement und studierte unter anderem Japanologie. Jetzt trägt sie hautenge, bauchfreie und lila Trainingskleidung. Sie trägt sie mit Selbstbewusstsein. "Das hat lange gedauert, so etwas tragen zu können", sagt sie. Aber heute sehe sie sich als ein Vorbild für Body Positivity. Ein bisschen sei es ihre Pflicht geworden, meint sie.

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Den Wunsch, einen sicheren Raum für Menschen mit Übergewicht zu schaffen, hat sie schon seit ihrer Kindheit. Immerhin musste sie selbst erleben, wie es ist, ständig für das Aussehen kritisiert zu werden. "Bewegung war nie ein leichtes Thema für mich. Ich wollte immer tanzen oder eine Kampfsportart lernen, aber man sagte mir von Anfang an, dass ich so etwas aufgrund meines Gewichtes nicht machen kann", erzählt sie.

Body Positivity setzt sich für die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale ein. Sie verbreitet sich vor allem über soziale Medien - allen voran über Instagram. Es geht um Selbstliebe und Selbstakzeptanz. 

Body Positivity bedeutet, jedem Körper mit Respekt zu begegnen. Grundlage dafür ist die Erkenntnis, dass alle Körper gleich wertvoll sind. Von Körperformen können wir nicht auf den Charakter eines Menschen schließen. Der Trend dazu stammt aus Amerika, wo Plus-Size-Blogerinnen auf die Diskrepanz in der Gesellschaft aufmerksam machten. Der Schönheitswahn, der durch eine Konsumgesellschaft und der Werbung gesteuert wird, der zu Magersucht und anderen Krankheiten führen kann, wird verurteilt. 

Am Spielplatz musste sie viele beleidigende Kommentare von anderen Kindern, aber auch von anderen Eltern ertragen. "So etwas macht Kinder kaputt", meint sie. Auch bei Sportfesten in der Schule hätten es dicke Kinder besonders schwer. Daher plädiert Elisabeth Axmann-Marcinkowski heute dafür, dass es für übergewichtige Kinder einen eigenen Unterricht geben sollte.

Den Körper nicht mehr verstecken

Bis in die Pubertät genierte sie sich und wollte ihren Körper verstecken. Erst in ihren 20ern fand sie schließlich zu sich. Sie besuchte ein Fitnesscenter und engagierte schließlich einen persönlichen Fitness-Trainer. "Dann merkte ich, dass ich Sport machen kann, auch wenn ich nicht dünn bin. Ich muss nicht dafür abnehmen", meint sie. Es ging um ihre Einstellung, erklärt sie.

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Nach einer Ausbildung zur Fitnesstrainerin will sie nun genau das, was sie sich hart erkämpfen musste, anderen vermitteln: Jeder könne Sport machen und dabei Spaß haben. "Es geht einfach darum, sich zu bewegen", sagt sie.

Ihr Fitnesscenter sei in Wien tatsächlich eine Neuheit. Fitness für jeden Körper - so etwas gebe es bis jetzt nicht - und das Feedback dafür sei groß. Auf Instagram folgen ihr 5.000 Menschen. Dort trainiert sie unter anderem einmal im Monat live mit der bekannten deutschen Body-Aktivistin Charlotte Kurt (181.000 Follower). Im Fitnesscenter selbst hat Elly Magpie 40 Kunden - und das trotz des Lockdowns.

Schenkel anspannen

In einem ersten Schritt geht es bei ihren Fitnessübungen nur um die Anspannung der Schenkel beispielsweise. "Man lernt die Muskeln anzuspannen, anzuvisieren", erklärt sie.

Man mache zum Beispiel keine Hampelmann-Sprünge, sondern eher Schritte. "Bei Menschen mit über 100 Kilo kann man nicht so einfach springen, da darf man auch die Gelenke nicht so beanspruchen", erklärt sie.

Die Übungen in einem Kurs bei ihr seien eben anders - aber genauso, dass sich jeder wohl fühle und dass man nicht den Mut und die Motivation verliere. 

Kann ich das - auch mit 130 Kilo?

Bie ihren Kursen gehe es nicht darum, leere Versprechen zu machen - wie etwa "in vier Wochen zum Beachbody". Sondern es gehe um die Bewegung an sich.

Viele Menschen mit 130 oder auch 150 Kilo würden zu ihr kommen und fragen: "Kann ich auch mitmachen?" Das zeige ihr ganz klar, dass viele nicht wüssten, was sie eigentlich können. Die Plus-Size-Trainerin arbeitet viel mit Fitnessbändern, leichten und schweren Hanteln, manchmal auch mit Kettlebells (Kugelhanteln). 

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Für sie sei es auch eine Mission, den Menschen zu zeigen, wie andere Körper aussehen können. "Was man nicht sieht, exisitiert nicht", sagt sie. Im Jahr 2018 habe sie daher eine Ausbildung zum Personal Trainer, zum Functional Trainer und zum Gesundheitstrainer gemacht.

"Natürlich kann ich keinen Klimmzug, weil ich zu schwer bin, aber ich habe diese Ausbildung gemacht, um Menschen wie mich fit zu machen", sagt sie.