Wien schließt Kinderheime
Am 18. Dezember demonstrieren ehemalige Heimkinder in der Wiener Innenstadt (der KURIER berichtete). Der in Wien für die Jugendwohlfahrt zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) wird an der Demo nicht teilnehmen, stockte aber den Entschädigungsfonds für Opfer der Wiener Fürsorge erneut auf.
KURIER: Ehemalige Heimkinder demonstrieren am 18. Dezember in Wien. Werden Sie sich ihre Anliegen persönlich anhören?
Christian Oxonitsch: Leider lässt das mein Terminkalender an diesem Tag nicht zu.
Christian Oxonitsch: Leider lässt das mein Terminkalender an diesem Tag nicht zu.
Vor etwa einem Jahr wurde der Wiener Heimskandal – im speziellen die Vorwürfe aus dem Heim Wilhelminenberg – publik. Was hat sich seither geändert?
Die damalige Situation ist mit der heutigen nicht mehr zu vergleichen, es gibt ja keine Großheime mehr. Die Jugendwohlfahrt hat heute den klaren Auftrag sich ständig neu zu hinterfragen. Und es bedarf eines offenen Umgangs mit dieser traurigen Geschichte, wie etwa die Aufarbeitung durch den Sieder-Bericht. Wir haben die Verantwortung übernommen, Opfer haben die Möglichkeit sich an die Öffentlichkeit oder Institutionen zu wenden.
Gab es für Sie persönlich neue Erkenntnisse?
Die Gefährdung eines Kindes endet nicht automatisch, wenn man ein anderes Hilfesystem zur Verfügung stellt. Man muss auch ein neues System laufend weiter verbessern und sicherstellen, dass es dem Kind gut geht.
Die Stadt Wien hat 17,1 Millionen Euro für Entschädigungen und Therapien für Heimkinder zur Verfügung gestellt. Wird man damit auskommen?
Ich gehe davon aus, dass wir nicht das Auslangen finden werden und wir noch einmal aufstocken müssen. Wir haben gerade im letzten Gemeinderatsausschuss weitere Mittel in der Höhe von 4,4 Mio. Euro beschlossen. Damit stellt die Stadt Wien insgesamt 21,5 Mio. Euro für Entschädigungen bereit.
In seinem Bericht über die Wiener Kinderheime sprach der Historiker Reinhard Sieder von einer historischen Katastrophe …
Wesentlich ist, dass ein staatliches Instrumentarium nicht funktioniert hat. Das Schlimmste ist, dass Schutzbefohlene in einer Institution der Stadt oder des Staates misshandelt wurden. Die Institution konnte ihre Kernaufgabe nicht erfüllen und hat versagt. Es geht um Menschen, denen man den benötigten Schutz nicht geben konnte, den sie verdient hatten. Insofern ist es eine historische Katastrophe.
Auch die Situation von Pflegekindern, die nicht in Heimen waren, soll jetzt beleuchtet werden?
Es wird eine historische Aufarbeitung in diesem Bereich geben. Der FH Campus Wien wurde damit beauftragt (der KURIER berichtete, Anm.) Die Forschung in diesem Bereich wird weitergehen.
Im Frühjahr kommt der Bericht der Wilhelminenberg-Kommission heraus. Wie sieht es mit der Aufarbeitung der Geschichte weiterer Heime aus?
Wie auch der Sieder-Bericht gezeigt hat war die Situation der Heimkinder in den verschiedenen Institutionen ähnliche. In der Wilhelminenbergkommission geht es konkret um Vorwürfe, die sich qualitativ von den anderen Vorwürfen abgehoben haben. (z.B. Serienvergewaltigungen, Anm.) Ich gehe davon aus, dass dies in der Wilhelminenberg-Kommission aufgearbeitet werden kann..
Betroffene üben Kritik, dass es einen Wildwuchs an Opferschutzkommissionen gibt.
Ich hätte grundsätzlich nichts gegen eine bundesweite Opferschutzstelle. Aber die Aufarbeitung auf Bundesländer-Ebene hätte man sich damit nicht erspart. In Wien haben wir versucht, alles klar zu strukturieren. Für die Kinder für die wir zuständig waren, auch in Einrichtungen außerhalb Wiens, erkennen wir unsere Zuständigkeit an.
Wird sich die Stadt Wien auf die Verjährung berufen, sollten ehemalige Heimkindern den zivilrechtlichen Weg einschlagen?
Wir haben keinen Klagsverzicht im Zusammenhang mit den Entschädigungszahlungen verlangt. Aber gleichzeitig gibt es juristische Bedenken, welche Chancen Opfer haben, wenn sie sich auf ein Verfahren einlassen. Prinzipiell ist aber die Verjährungsfrist im Rechtssystem vorgesehen und ein Eckpfeiler. Es war ja unser klares Bekenntnis, die Verantwortung mit Entschädigungszahlungen zu übernehmen.
Derzeit gibt es noch vier von der Stadt Wien genützte Heime in Niederösterreich.
Alle Heime werden bis Mitte/Ende 2014 geschlossen. Dann wollen wir alle Kinder innerhalb Wiens untergebracht haben. Aber auch das sind keine Großheime mehr. Dort gibt es vielleicht 40 Kinder in Wohngruppen. Die Zeit der Heime ist vorbei.
Stattdessen werden verstärkt Pflegeeltern gesucht?
Pflegeeltern werden immer gesucht. Wir starten in nächster Zeit wieder eine Kampagne in diesem Bereich. Priorität hat das Support-System, dass wir Familien so stabilisieren, dass sie ordentlich für ihre Kinder sorgen können. Wir haben viele Modelle am Laufen, um künftig möglichst vielen Kindern das Aufwachsen in einer Familie zu ermöglichen.
Die damalige Situation ist mit der heutigen nicht mehr zu vergleichen, es gibt ja keine Großheime mehr. Die Jugendwohlfahrt hat heute den klaren Auftrag sich ständig neu zu hinterfragen. Und es bedarf eines offenen Umgangs mit dieser traurigen Geschichte, wie etwa die Aufarbeitung durch den Sieder-Bericht. Wir haben die Verantwortung übernommen, Opfer haben die Möglichkeit sich an die Öffentlichkeit oder Institutionen zu wenden.
Gab es für Sie persönlich neue Erkenntnisse?
Die Gefährdung eines Kindes endet nicht automatisch, wenn man ein anderes Hilfesystem zur Verfügung stellt. Man muss auch ein neues System laufend weiter verbessern und sicherstellen, dass es dem Kind gut geht.
Die Stadt Wien hat 17,1 Millionen Euro für Entschädigungen und Therapien für Heimkinder zur Verfügung gestellt. Wird man damit auskommen?
Ich gehe davon aus, dass wir nicht das Auslangen finden werden und wir noch einmal aufstocken müssen. Wir haben gerade im letzten Gemeinderatsausschuss weitere Mittel in der Höhe von 4,4 Mio. Euro beschlossen. Damit stellt die Stadt Wien insgesamt 21,5 Mio. Euro für Entschädigungen bereit.
In seinem Bericht über die Wiener Kinderheime sprach der Historiker Reinhard Sieder von einer historischen Katastrophe …
Wesentlich ist, dass ein staatliches Instrumentarium nicht funktioniert hat. Das Schlimmste ist, dass Schutzbefohlene in einer Institution der Stadt oder des Staates misshandelt wurden. Die Institution konnte ihre Kernaufgabe nicht erfüllen und hat versagt. Es geht um Menschen, denen man den benötigten Schutz nicht geben konnte, den sie verdient hatten. Insofern ist es eine historische Katastrophe.
Auch die Situation von Pflegekindern, die nicht in Heimen waren, soll jetzt beleuchtet werden?
Es wird eine historische Aufarbeitung in diesem Bereich geben. Der FH Campus Wien wurde damit beauftragt (der KURIER berichtete, Anm.) Die Forschung in diesem Bereich wird weitergehen.
Im Frühjahr kommt der Bericht der Wilhelminenberg-Kommission heraus. Wie sieht es mit der Aufarbeitung der Geschichte weiterer Heime aus?
Wie auch der Sieder-Bericht gezeigt hat war die Situation der Heimkinder in den verschiedenen Institutionen ähnliche. In der Wilhelminenbergkommission geht es konkret um Vorwürfe, die sich qualitativ von den anderen Vorwürfen abgehoben haben. (z.B. Serienvergewaltigungen, Anm.) Ich gehe davon aus, dass dies in der Wilhelminenberg-Kommission aufgearbeitet werden kann..
Betroffene üben Kritik, dass es einen Wildwuchs an Opferschutzkommissionen gibt.
Ich hätte grundsätzlich nichts gegen eine bundesweite Opferschutzstelle. Aber die Aufarbeitung auf Bundesländer-Ebene hätte man sich damit nicht erspart. In Wien haben wir versucht, alles klar zu strukturieren. Für die Kinder für die wir zuständig waren, auch in Einrichtungen außerhalb Wiens, erkennen wir unsere Zuständigkeit an.
Wird sich die Stadt Wien auf die Verjährung berufen, sollten ehemalige Heimkindern den zivilrechtlichen Weg einschlagen?
Wir haben keinen Klagsverzicht im Zusammenhang mit den Entschädigungszahlungen verlangt. Aber gleichzeitig gibt es juristische Bedenken, welche Chancen Opfer haben, wenn sie sich auf ein Verfahren einlassen. Prinzipiell ist aber die Verjährungsfrist im Rechtssystem vorgesehen und ein Eckpfeiler. Es war ja unser klares Bekenntnis, die Verantwortung mit Entschädigungszahlungen zu übernehmen.
Derzeit gibt es noch vier von der Stadt Wien genützte Heime in Niederösterreich.
Alle Heime werden bis Mitte/Ende 2014 geschlossen. Dann wollen wir alle Kinder innerhalb Wiens untergebracht haben. Aber auch das sind keine Großheime mehr. Dort gibt es vielleicht 40 Kinder in Wohngruppen. Die Zeit der Heime ist vorbei.
Stattdessen werden verstärkt Pflegeeltern gesucht?
Pflegeeltern werden immer gesucht. Wir starten in nächster Zeit wieder eine Kampagne in diesem Bereich. Priorität hat das Support-System, dass wir Familien so stabilisieren, dass sie ordentlich für ihre Kinder sorgen können. Wir haben viele Modelle am Laufen, um künftig möglichst vielen Kindern das Aufwachsen in einer Familie zu ermöglichen.