Wien schickt Asylwerber in verpflichtende Deutschkurse
Von Elias Natmessnig
Die rot-grüne Stadtregierung zeigt selten gesehene Einigkeit. In einer Regierungsklausur beschloss sie, das Angebot, aber auch die Pflichten für Flüchtlinge in Wien auszubauen.
"Wir wollen nicht nur Deutschkurse für anerkannte Flüchtlinge, sondern auch für Asylwerber", sagte Bürgermeister Michael Häupl (SP) am Dienstag. Schon am ersten Tag der Ankunft sollen Flüchtlinge in sogenannte Infomodule. Diese werden in der Muttersprache der Flüchtlinge gehalten und erklären die wichtigsten Regeln des Zusammenlebens. "Bei uns gibt es Schulpflicht, Frauen sind selbstbestimmt. Es ist auch undenkbar, dass ein Junge die Anordnung einer Lehrerin nicht folgt, weil sie eine Frau ist – das geht gar nicht", hob Häupl den Zeigefinger. Darüber hinaus gibt es Infos zu den Themen Gesundheit, Wohnen und Soziales. Alle Fähigkeiten werden in einen Bildungspass eingetragen, die Koordination der Angebote übernimmt die neue "Bildungsdrehscheibe", die bei den Volkshochschulen angesiedelt ist.
Günstige Monatskarte
Bekommen die Flüchtlinge einen positiven Asylbescheid, übernimmt das AMS die Betreuung – der Bildungspass hilft, dem AMS erworbene Fähigkeiten mitzuteilen. Die Teilnahme an den Angeboten ist verpflichtend und Voraussetzung für eine Monatskarte der Wiener Linien. Wobei die Flüchtlinge vier Euro von ihren 40 Euro Taschengeld pro Monat für das Öffi-Ticket abtreten müssen. Weitere Sanktionsmöglichkeiten für Asylwerber, die keine Kurse besuchen, hat die Stadt allerdings nicht.
Für die Stadt ein beträchtlicher finanzieller Aufwand. Denn derzeit sind 21.100 Asylwerber in der Grundversorgung. Daher schränkt Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SP) ein, dass die Maßnahmen nur kommen, wenn der Bund zugesagte Mittel freigibt. "Uns wurden für Wien Mittel zugesagt, bis heute haben wir keinen Cent davon gesehen", sagt Wehsely, die harte Kritik an der Innenministerin übte. "Wie kann es sein, dass ein Drittel der österreichischen Gemeinden nach wie vor keine Flüchtlingen genommen hat?"
Residenzpflicht
Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) können sich daher vorstellen, dass es eine Residenzpflicht gibt, Flüchtlinge also in jenem Bundesland bleiben müssen, in denen sie versorgt werden. Nicht nur in diesem Punkt zeigt Rot-Grün Einigkeit. "Die Klausur war die beste, die wir je hatten", sagte Vassilakou. So habe man sich auch für die wachsende Stadt viel vorgenommen.
Kritik kommt von der Opposition. Die FP sieht einen "Hochverrat an der eigenen Bevölkerung", VP-Chef Gernot Blümel höhnte über ein "Weiterwursteln" und forderte ein Ende der "rot-grünen Willkommenskultur". Die Neos zeigten sich zumindest zufrieden, dass ihr Vorschlag in Sachen Wohnsitzpflicht aufgenommen wurde.