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Türkis-roter Klimawandel in Wien: Gemeinsam gegen die Grünen

Bis vor einigen Monaten herrschte zwischen SPÖ und ÖVP in Wien noch die sprichwörtliche Eiszeit. Vor Kurzem - konkret mit dem Abgang von ÖVP-Chef Gernot Blümel und der Übernahme der Partei durch Karl Mahrer - hat sich das Klima gewandelt.

Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Ausgerechet beim umstrittenen Thema Klimapolitik hat die Wiener ÖVP der SPÖ am Mittwoch ihre Unterstützung zugesichert.

Die rot-pinke Koalition hat erst unlängst nach einer Klausur ihren "Klimafahrplan" vorgelegt, mit dem die Stadt bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden soll. Die ÖVP wird diesem bei der nächsten Sitzung des Gemeinderats zustimmen, wie türkise Funktionäre nun vor Medienvertretern verkündeten.

Heftige Kritik übte der türkise Klubobmann Markus Wölbitsch bei dieser Gelegenheit ausgerechnet an den Grünen, mit denen die ÖVP im Bund immerhin in einer Koalition sitzt: "Mit der SPÖ verbindet uns in der Klimapolitik mehr als mit den Grünen", so Wölbitsch.

Beide Parteien - also ÖVP und SPÖ - hätten "als Volksparteien den Anspruch, sich mit der Lebensrealität der Menschen auseinanderzusetzen". Anders als die Grünen, die "ihre eigene Meinung gerne für moralisch höherwertig halten", kritisierte Wölbitsch. Das erschwere auch die Zusammenarbeit in der türkis-grünen Koalition im Bund.

Bezug nahm er damit unter anderem auf den von der Grünen Umweltministerin Leonore Gewessler abgesagten Lobautunnel ("Sie wollte damit die Wiener Grünen bei ihrer Wiederfindung unterstützen und stellt Ideologie über Recht") und die umstrittene Stadtstraße, deren Blockade die Grünen "gegen die Mehrheitsmeinung" unterstützten. Bei beiden Projekten sind SPÖ und ÖVP schon länger einer Meinung.

Auch Kritik

Ganz ohne Kritik an den rot-pinken Klimaplänen ging es dann aber doch nicht: Der Klimafahrplan sei ein Schritt in die richtige Richtung und in manchen Bereichen auch "sehr ambitioniert" - dennoch wünsche sich die ÖVP "noch mehr".

Etwa im Bereich der erneuerbaren Energie: Wien verfüge im Bundesländervergleich über die geringste Anzahl an Photovoltaikanlagen, kritisierte ÖVP-Umweltsprecher Josef Mantl. Dabei wären rund zwei Drittel aller Wiener Dächer für Solarenergie nutzbar.

Damit, so Mantl, könnten Photovoltaikanlagen bis zu 40 Prozent der Stromproduktion übernehmen. Derzeit liege der Anteil in Wien bei 1 Prozenz.

Auch die Stadt selbst hält die ÖVP hier für säumig: Von rund 2.000 Photovoltaikanlagen in Wien befänden sich nur 100 auf öffentlichen Gebäuden. "Die Stadt muss als gutes Beispiel vorangehen", sagte Mantl.

Sanierung als Wirtschaftsmotor

Lob gab es vom türkisen Umweltsprecher für die Pläne in Sachen thermischer Sanierung, die ebenfalls im Klimafahrplan enthalten sind: "Sie ist eine wichtige Maßnahme für effektiven, nachhaltigen Klimaschutz und für die Senkung der Energiekosten", sagte Mantl. Zudem sei die thermische Sanierung "ein Motor für die Wiener Wirtschaft und den Arbeitsmarkt".

Kritik übte Mantl hingegen am städtischen Monopol bei der Fernwärme.

Weniger Autos

Lob von der neuen ÖVP-Verkehrssprecherin Elisabeth Olischar gab es für die Öffi-Offensive der Stadt: Dass die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut und attraktiviert werden, sei richtig. "Auch die ÖVP verfolgt das Ziel, dass langfristig weniger Autos in der Stadt unterwegs sind", so Olischar.

Dafür brauche es aber keine neuen Verbote, "sondern Alternativen, die diese Bezeichnung auch verdienen". Hier müsse man die "verschiedenen Lebenrealitäten der Menschen berücksichtigen", so Olischar. "Um die Klimaziele zu erreichen, ist es wichtig, alle Menschen mitzunehmen."

Während etwa das Öffi-Netz in den Bezirken innerhalb des Gürtels gut ausgebaut sei, gebe es in Außenbezirken "dringenden Nachholbedarf". Und nicht nur dort: Auch die Zusammenarbeit mit dem benachbarten Niederösterreich sollten verbessert werden, forderte Olischar.

Zusammenarbeit mit NÖ

Vor allem die Pendlerströme stellen Wien vor Herausforderungen: Hier brauche es einen Ausbau der Park&Ride-Anlagen, gemeinsame Konzepte und neue Verkehrsverbindungen über die Stadtgrenzen hinaus.

"Viel Luft nach oben" gebe es zudem beim ruhenden Verkehr in der Stadt: Ziel müsse es sein, Autos verstärkt "unter die Erde zu bringen", so Olischar. Dafür brauche es ein ausgeklügeltes Garagenkonzept und moderne Parkleitsysteme.

Innovation fehlt

Manche Themen würden im Klimafahrplan "gänzlich fehlen", so Olischar. Etwa jenes der Innovation: "Die Stadt sollte die Herausforderungen des Klimawandel gleichzeitig als Chance für Forschung und Entwicklung verstehen." Wie die Stadtregierung Wien als Innovationsstandort positionieren wolle, sei unklar.

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"Gerade jetzt benötigen wir innovative Konzepte und neue Technologien", sagte Olischar. Und: "Wichtig ist, dass bestehende Ideen auch auf den Boden gebracht werden, etwa im Bereich des Ausbaus von PV-Anlagen oder Fassadenbegrünungen." Hier brauche es eine Entbürokratisierung.

Auch der Rolle der Wiener Stadtlandwirtschaft werde der Klimafahrplan nicht gerecht: Landwirtschaftliche Flächen müssten besser geschützt und erhalten werden, so die Forderung. Nur so könne die Versorgung mit regionalen und saisonalen Wiener Produkten sichergestellt werden.