Chronik/Wien

Demos sind schlecht fürs Geschäft

Die Wiener City steht für Lebenslust. Sie ist das Zentrum Österreichs, mit den meisten Ämtern, Behörden und Sehenswürdigkeiten. Für Touristen heißt es, kein Wien-Trip ohne Besuch der City. Logisch, dass sich hier das Luxus-Geschäft konzentriert.

Doch in der City, wie die Wiener ihre Innenstadt nennen, hängt der Haussegen schief. Wie in anderen Städten Europas befindet sich hier der Demonstrations-Hotspot Österreichs. An keinem Ort des Landes wird mehr protestiert, marschiert und gefeiert.

30 Demonstrationszüge pro Jahr

Die Folgen sind messbar: Im Schnitt ein Mal wöchentlich ist der Wiener Ring wegen einer Kundgebung oder Großveranstaltung zu. Im Ranking der beliebtesten Demonstrationsorte folgt dicht dahinter Österreichs größte Shopping-Meile. Auf der Mariahilfer Straße marschieren jedes Jahr rund 30 Demonstrationszüge durch.

Angesichts dieser Konzentration auf zwei Orte ist die Geduld von Wirtschaftsvertretern zu Ende. Erwin Pellet, Chef des Wiener Handels, kann sich dazu durchringen, für "das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf Demonstrationen Verständnis aufzubringen". Aber er fordert jetzt auch Veranstalter und Politik auf, auf Unternehmer mehr Rücksicht zu nehmen.

Besonders die Kämpfe zwischen Kundgebungsteilnehmern und der Polizei im Zuge der Burschenschafter- und Identitären-Demo haben bei den Unternehmern schlechte Stimmung hinterlassen. Und das nicht nur wegen eines Millionenschadens im vergangenen Winter.

"Die Kunden haben zunehmend keine Lust, zum Shoppen in die City zu fahren, wenn im Verkehrsfunk die Durchsage kommt, die Innenstadt wegen einer Demonstration zu meiden, oder wenn Vermummte im Fernsehen zu sehen sind", sagt Pellet.

Um wie viel schlechter läuft das Geschäft an Demonstrationstagen samt Ringstraßensperre? Eine umfassende Studie gibt es dazu nicht. "Aber Meldungen von Betrieben, die an Tagen mit Ringstraßensperre bis zu 50 Prozent Umsatzrückgang haben", sagt Pellet.

Ruf in Richtung Politik

Mehr Rücksicht auf Betriebe? Derartige Rufe der Wirtschaft verhallten bisher ungehört. Auch ein aktuelles Höchstgerichtsurteil verschärft die Lage. Denn die Richter befanden, dass in der Regel jede Veranstaltung an jedem beliebigen Ort von der Behörde zu genehmigen ist. Um den Schwung in dieser Diskussion zu erhalten, fordert nun Pellet, dass auch Demo-Organisatoren eine Kaution hinterlegen sollten. Nach einem realistischen Lösungsansatz klingt das derzeit aber nicht.

Einen Lichtblick gibt es. Nach der friedlich verlaufenen Kundgebung rund um das "Fest der Freiheit" gab es Lob von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner an die Demonstranten. Für die Innenministerin geht es dabei nicht nur um eine Sicherheitsfrage. Je gefährlicher die Lage eingeschätzt wird, umso mehr Beamte muss die Wiener Polizei einsetzen. 2014 könnte so zum teuersten Jahr werden. Bis Anfang Juni kosteten die Polizeieinsätze bei Demos in Wien drei Millionen Euro. Das sind um 300.000 Euro mehr als für alle Demo-Einsätze 2013.

Seit Jahren zählt die Wirtschaftskammer, wie oft der Ring und die Mariahilfer Straße gesperrt sind, beziehungsweise welche Veranstaltung da stattfindet.

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass der beliebteste Demonstrationstag der Einkaufssamstag ist. 22 Demos und Veranstaltungen führten im vergangenen Jahr zu Sperren in der City. Demos für Kurden, Flüchtlinge, die Legalisierung von Haschisch und Befreiung der Tiere fanden an diesem Tag genauso statt wie Life Ball, Blasmusikfest oder Regenbogenparade.

Der zweitwichtigste Aktionstag ist der Freitag. 2013 fanden an diesem Tag die Demos gegen Burschenschafter, oder Solidarität mit Syrien statt. Begehrt unter Demo-Veranstaltern sind aber auch der Mittwoch und Donnerstag. An Sonntagen (zehn Sperren) wird hingegen kaum demonstriert, sondern gefeiert: Vienna City Marathon, Radrundfahrt etc.