Chronik/Wien

Arzt verschwand vor Opernbesuch

Wie kann ein Mediziner spurlos mitten in Wien-Döbling so einfach verschwinden? Diese Frage versuchen Polizei und die Familie von Matthäus W. seit zwei Wochen zu klären – bisher vergeblich. Ein Selbstmord wird ausgeschlossen, da es keinen Abschiedsbrief gibt. Auch ist es unwahrscheinlich, dass sich jemand am ersten Urlaubstag, wenige Stunden vor seinem lang ersehnten New-York-Urlaub, plötzlich und unvermutet das Leben nimmt.

Der Schlüsseltag zu dem rätselhaften Vermisstenfall ist Freitag, der 28. Dezember 2012: Matthäus W., der aus einer niederösterreichischen Ärztefamilie stammt, beendet gegen Mittag seinen Dienst im Rudolfinerhaus. Danach stehen 14 Tage Ferien auf dem Programm. Anschließend erledigt er einige Dinge und ist im Bereich zwischen der Ecke Billrothstraße/Silbergasse und der Heiligenstädter Straße unterwegs. Um 16 Uhr hat er das letzte Mal mit einem Familienmitglied Kontakt, danach wird er vereinzelt von Passanten gesehen.

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Vermutlich hat ihn ein Augenzeuge gegen 17 Uhr zum letzten Mal in der Nähe des Karl-Marx-Hofes bemerkt. Um 19.30 Uhr hätte er in der Wiener Staatsoper am Ring sein wollen, um sich den „Nussknacker“ anzuschauen. Dort dürfte der Niederösterreicher aber niemals angekommen sein.

Doch was war in der Zwischenzeit passiert?

Suchhunde im Einsatz

Am 30. Dezember wurde Matthäus W. offiziell für abgängig erklärt. Seither suchen Ermittler des Landeskriminalamts Wien nach dem Arzt. Polizeihunde wurden eingesetzt, auch in seiner Wohnung und der Praxis fand sich kein verwertbarer Hinweis. Drei Handypeilungen wurden durchgeführt. Das Mobiltelefon des 41-Jährigen konnte nicht lokalisiert werden. Es ist abgeschaltet. „Er hat kein Ladegerät bei sich“, sagt sein Bruder Sebastian (Interview unten).

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Das Auto von Matthäus W. steht unberührt vor der Haustüre, auch sein Reisepass ist daheim. Es gibt seit seinem Verschwinden keine Bewegungen auf seinen Konten. Das alles spricht dagegen, dass er einfach abgetaucht ist. „Im Schengenraum könnte man sicher untertauchen“, meint sein Bruder Sebastian. Aber nur mit dem Führerschein würde er wohl bald an Grenzen stoßen.

Die Polizei will zum Fall nur sagen, dass es „keinerlei Hinweise auf einen Selbstmord oder ein Verbrechen gibt.“ Auch in einen Unfall war der Arzt nicht verwickelt.

Am Donnerstag hätte W. nach seinem Urlaub wieder den Dienst im Rudolfinerhaus antreten sollen. Da ist er allerdings auch nicht erschienen. Patienten wird erklärt, er sei noch auf Urlaub.

„Wir wollen einfach nur unser Familienmitglied finden“, sagt Sebastian W. Deshalb sei man für alle Hinweise dankbar. In der Umgebung, wo der Arzt zuletzt gesehen wurde, haben Familienangehörige bereits Suchplakate aufgehängt. Was noch bleibt, ist die Hoffnung.

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Seit dem Jahreswechsel bangt die Familie um das Leben des Mediziners. Der KURIER sprach mit dem Bruder des verschwundenen Arztes.

KURIER: Haben Sie irgendeinen Hinweis, was mit Ihrem Bruder passiert sein könnte?

Sebastian W.: Nein. Wir fragen uns, wie das geht, dass sich jemand einfach so in Luft auflöst. Es gibt nichts, null. Bevor so etwas passiert, kann man nicht glauben, dass das überhaupt geht. Matthäus hat seinen Dienst beendet und war dann im Bereich zwischen dem Karl-Marx-Hof und der Billrothstraße unterwegs. Der letzte nachgewiesene Kontakt mit der Familie war um 16 Uhr. Danach wurde er von mehreren Menschen gesehen. Das ist aber nicht restlos gesichert.

Ist Selbstmord denkbar?

Nein, denn er wollte am nächsten Tag nach New York in den Urlaub fliegen. Wir alle hoffen, dass er noch lebt, aber ein Verbrechen steht für mich persönlich im Vordergrund. Im Schengenraum könnte man sicher untertauchen, aber von ihm ist alles da – sein Pass, sein Auto, sein Fahrrad, seine Vespa. Deshalb sind wir jetzt an die Öffentlichkeit gegangen. Die Polizei hat schon alles versucht, aber vielleicht hat ihn jemand gesehen, etwa, wie er in ein Taxi gestiegen ist. Er wollte am Abend in die Oper. Wer ihn getroffen hat, soll dies bitte der nächsten Polizeidienststelle bekannt geben.