Wien: 300 Gaffer blockierten Einsatzkräfte
Von Birgit Seiser
Die Sensationslust von rund 300 Passanten kostete einem 71-Jährigen möglicherweise das Leben. Der Mann war am Freitagnachmittag bei der U-Bahn-Station Reumannplatz in Wien-Favoriten zusammengebrochen. Sofort sammelten sich Schaulustige rund um ihn, nur eine einzige Passantin schritt ein, um zu helfen. "Als die Kollegen mit dem Defibrillator eingetroffen sind, hatte eine junge Frau bereits mit der Reanimation begonnen", sagt Polizeisprecher Patrick Maierhofer. Die Beamten hätten Probleme gehabt, bis zu dem Mann vorzudringen, und einige Menschen wegweisen müssen. Auch die Wiener Berufsrettung erklärt, dass die Sanitäter nur schwer durch die Schaulustigen zu dem Patienten gelangten. "Einige Leute haben während des Einsatzes Fotos und Videos gemacht und sind sehr nah bei dem Patienten gestanden", sagt Corina Had von der Wiener Berufsrettung.
Rechtlich hätte die Polizei in so einem Fall zwar die Möglichkeit, Personen, die sich trotz Wegweisens weiterhin am Einsatzort befinden, vorübergehend festzunehmen – in der Praxis sei das laut Polizeisprecher Maierhofer aber schwer durchführbar: "Wenn es um Leben und Tod geht, ist nicht die Zeit da, um Identitätsfeststellungen zu machen."
Kickl fordert Strafen
Innenminister Herbert Kickl reagierte am Samstag im Ö1-Journal mit der Forderung nach Strafen bei "Unfall-Voyeurismus". Es müsse ein Bewusstsein geschaffen werden, dass Schaulustige, die fotografieren oder filmen, eine Behinderung darstellen. Wenn das nicht greife, sei es "durchaus vorstellbar, dass man mit entsprechenden Strafmandaten gegen Unbelehrbare vorgeht." Außerdem pochte Kickl auf Verschärfungen bei Angriffen auf Polizisten. An der technischen Umsetzbarkeit zweifelt Kickl nicht – es werde sich ein technischer Weg finden lassen.
Termin
Wie sich Einsatzkräfte Maßnahmen gegen Gaffer vorstellen können, und warum überhaupt immer wieder Menschen der Sensationslust verfallen, diskutieren Patrick Maierhofer, Dieter Pilat von der Grazer Feuerwehr, Notfallsanitäter Mathias Gatterbauer und Psychologin Isabella Woldrich kommende Woche in einem KURIER-Gespräch, nachzulesen in der kommenden Freitag-Ausgabe.