Chronik/Wien

„Unser Motto lautet positiv denken“

Amelie und Leonie zeigen stolz ihre pink lackierten Fingernägel. „Weil heute kommt ja das Christkind“, freuen sich die vierjährigen Zwillingsschwestern. Die jungen Damen sind äußerlich kaum zu unterscheiden, hätte Leonie nicht die Weihnachtsmann-Mütze auf.

Und doch besteht ein gravierender Unterschied. Während Leonie in Weihnachtsstimmung aufgeregt durch die AKH-Gänge huscht, klammert sich Amelie etwas müde an die Schultern ihres Papas Oliver Kremser. Die tapfere Vierjährige leidet an einem Hirnstamm-Tumor – diagnostiziert vor neun Tagen im Krankenhaus Mödling. „Vorerst glaubten die Ärzte an eine Magen-Darm-Grippe. Nach dem CT war der Tumor aber Gewissheit. Wir wurden ins AKH nach Wien transferiert. Danke für die perfekte Betreuung“, erzählt Mama Katja Repplinger von der niederschmetterndsten Nachricht ihres Lebens.

Mittlerweile sind die Eltern aus Vösendorf gefasst. Herr Kremser bringt – seine erschöpfte Tochter im Arm haltend – die Gefühlswelt auf den Punkt: „Unser Motto lautet positiv denken. Die Chancen stehen gut, dass Amelie wieder ganz gesund wird.“ Während dieser Worte blickt die Mama sorgenvoll auf ihre Töchter.

Für die Familie verschob sich vor einer Woche der Lebensmittelpunkt von Vösendorf in die Kinderklinik des AKH. Während die Mutter nicht von der Seite Amelies weicht, fahren der Papa und Zwillingsschwester Leonie am Abend immer nach Hause. Aber schon am Vormittag sind die vier wieder vereint. Die ebenfalls tapferen Eltern halten die bedrohliche Situation von ihren Kindern – so gut es in einem Krankenhaus geht – möglichst fern. Ängstliche Fragen werden feinfühlig beantwortet.

Streicheleinheiten

Und gestern wurde mit der Verwandtschaft im Familien-Zimmer der Klinik Weihnachten gefeiert. Für die Mädels brachte das Christkind viele Geschenke und es gab jede Menge Liebkosungen und Streicheleinheiten. Montag, den 6. Jänner, wird Amelie operiert. Eine Herausforderung für das Ärzteteam.

Eine davon ist Pulmologin Edith Nachbaur. Die Oberärztin der Kinderintensivmedizin leitete gestern am Heiligen Abend auch die Kinder-Ambulanz des größten Krankenhauses Europas. „Die Ambulanz wird heute sicher voll. In der Regel sind die Verletzungs- und Krankheitsmuster am Heiligen Abend nicht bedrohlich. Als Klassiker gilt der verdorbene Magen.“

Doch abseits der wohlstandsbedingten Nasch-Attacken kämpfen im AKH auch während der Weihnachtsfeiertage 70 Kinder um ihr Überleben. Herz-Kreislauf-Defizite, Dialysepatienten, Kleinkinder nach Transplantationen, Frühgeburten und Onkologie-Fälle fordern Ärzte und Schwestern auf den Intensivstationen bis zur Belastungsgrenze. Und die kleinen Patienten sind Kämpfer. Nicht nur am Heiligen Abend.

Ärzte im Dienst

Montag gab die Ärztekammer Entwarnung. Die Besetzung des Ärztefunkdienstes ( 141) ist für die Feiertage und Wochenenden nun doch garantiert. Allerdings warnt die Mediziner-Vertretung: Sollte von den Ärzten jemand krank werden, kann es zu längeren Wartezeiten kommen. Die Kammer weist alternativ auf die Ordination des Wiener Ärztefunkdienstes hin. 1150 Wien, Pillergasse 20, Samstag, Sonntag, Feiertage und 31. Dezember 8 bis 20 Uhr. In den Bundesländern sollten 50 Prozent der Ordinationen im Dienst stehen.

Camilla Breitfuß hat sich herausgeputzt. An ihrem Rock glänzen kleine Christbaumkugeln. Am Kopf trägt sie einen Heiligenschein. Nur die Engelsflügel, die sind eng geworden seit dem vergangenen Jahr. Die rote Nase sitzt. Genauso wie die ihres Kollegen Doktor Harald. Das ist schließlich Teil der Dienstkleidung. Die Roten Nasen sind auf Clown-Visite im Wiener Wilhelminenspital. Auch am Heiligen Abend.

Die Schwestern Tiana und Sayna, beide haben Bronchitis, sitzen auf dem Bett. Plötzlich werden ihre Augen groß. Camilla und Harald stehen in der Tür. Doch die ist nicht breit genug. „Darf ich?“, fragt Harald. „Ja, bitte“, lässt ihm Camilla den Vortritt und steht erst recht im Weg. Tiana und Sayna lachen. Plötzlich fliegt ein Tuch, Camilla greift zur Ukulele, singt. Dann wachsen rote Nasen aus der Hand der Clownin – und landen auf der Nasenspitze von Tianas und Saynas Mama.

Camilla und Wolfgang stolpern ins nächste Zimmer. „Ich fliege jetzt“, kündigt Camilla an und stellt sich auf das Gestell, auf dem die Infusionen hängen. Weit fliegt sie nicht. „Du musst dich festhalten!“, rät ihr Harald. Hilft aber nichts. Dann eben zaubern. Die achtjährige Daorsa stellt sich als kritische Zuseherin heraus. „Das kommt vor“, sagt das Clown-Duo.

Dann eben weiter zu Paul, der wegen Lungen-Problemen im Spital liegt. Camilla startet einen neuen Flugversuch. Paul kugelt sich vor lachen. Plötzlich kräht ein Hahn. „Das ist dein Handy“, sagt Doktor Harald. „Ich bin beim Paul“, erklärt Camilla. Paul kringelt sich noch mehr. Denn am anderen Apparat ist Harald. Pauls Papa schießt noch ein Erinnerungsfoto.

„Wir haben kein Mitleid. Wir haben Mitgefühl“, sagt Doktor Harald, der ohne Clownnase auf den Namen Markus Rupert hört. „Ich hatte einmal ein Krebskind. Das Mädchen war fünf, hatte eine schlechte Prognose“, erzählt Helga Hutter alias Primardonna Camilla Breitfuß. Als es starb, wünschte es sich für das Begräbnis einen Clown.