Chronik/Wien

Was Schüler über den Ramadan denken

Seit 6. Juni ist Ramadan – ein Reizwort, das bei vielen für Verunsicherung sorgt. Jüngst machte das Gerücht die Runde, an Wiener Pflichtschulen seien Schulveranstaltungen abgesagt worden, da Kinder aufgrund des Fastens zu schwach waren. "Das stimmt nicht", stellt Elisabeth Fuchs, Schulinspektorin für Ottakring, richtig. Doch wie funktioniert der Alltag in einer Schule, in der viele Kinder den Ramadan einhalten? Der KURIER besuchte eine Neue Mittelschule (NMS) in der Brüßlgasse in Ottakring, in der nahezu alle Schüler Migrationshintergrund haben.

Engelbert Erben unterrichtet seit 25 Jahren an diesem Standort. Früher sei der Fastenmonat kein Thema gewesen – mittlerweile halten ihn viele Schüler ein. "Aber sie machen kein großes Thema draus", erzählt er.

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Werde zum Schulabschluss gemeinsam gegrillt, könne eben nicht jeder mitmachen. "Oder bei Sportveranstaltungen kann es schon mal vorkommen, dass sich ein ehrgeiziger Bub beim Fußballspielen zu sehr anstrengt." Dann werde ein Glas Wasser angeboten.

Inspektorin Fuchs erklärt: "Kinder im Volksschulalter müssen nicht fasten, auch wenn wir wissen, dass es manche tun. Aber ab der fünften Schulstufe tun es die meisten." Es brauche daher genaue Regeln, wie damit umzugehen sei, und die Devise lautet: Pragmatismus. Drohe ein Kind zu kollabieren, biete man ein Getränk an. Weigere es sich, zu trinken, rufe man im Notfall die Rettung. "Das war an unserer Schule aber noch nie der Fall", versichert NMS-Direktorin Anneliese Hell.

"Manchmal schwierig"

Doch wie erleben es die Kinder selbst? Die Schüler der 2B freuen sich über das Interesse und geben bereitwillig Auskunft. Der 13-jährige Eslam schildert, dass er den Ramadan zum dritten Mal einhält: "An manchen Tagen ist es schwierig. Am Wochenende ist es einfacher, da schlafe ich bis Mittag", scherzt er. Sein Klassenkollege Hamed erzählt, er sei traurig, dass ihm der Arzt riet, heuer nicht zu fasten: "Ich habe nämlich das Gefühl, ich sollte es tun", sagt er. Seine Mutter habe ihn gebeten, dennoch sparsam zu essen.

Die Mitschülerinnen Merve und Sude erklären, der Hunger sei nicht so schlimm – schwieriger sei der Verzicht auf Getränke. Alle aber betonen, stolz zu sein, wenn sie das Fasten schaffen: "Es ist ein gutes Gefühl", sagt Merve. "Ich finde es gut, dass wir dabei an arme Menschen denken, die nicht immer essen können", ergänzt Mirko.

Kritische Stimmen

Andere betrachten das Thema kritischer: Nach einiger Zeit hebt Samanta vorsichtig die Hand. "Drüben im Supermarkt sehe ich manchmal kleine Kinder, die schon fasten. Sie wollten sich etwas kaufen, haben sich dann aber erinnert, dass sie nicht essen dürfen." Diese Kinder seien wohl noch zu jung, meint Samanta. Da meldet sich auch Jeremy: "Ich finde das Fasten eher schlecht. Wir sind noch im Wachstum." Auch Karolina ist zwiegespalten: "Einerseits ist es gut, wenn sie an arme Leute denken. Andererseits braucht man doch Flüssigkeit."

Man könne das Fasten an anstrengenden Tagen unterbrechen, erklären einige Schüler. So sagt etwa Sude: "Wenn wir einen Schulausflug machen, hole ich den Fasttag später nach."

Diesbezüglich sind ihre ein wenig älteren Kollegen in der 4B härter im Nehmen: Die Burschen Fitim und Yassin, beide 15, wollen das Fasten keinesfalls unterbrechen. Der schlagfertige Yassin ist über die religiöse Regeln, die er befolgen möchte, gut informiert: Nein, ein Schulausflug sei kein Grund, das Fasten zu unterbrechen. Und eine Schularbeit, beispielsweise in einem Fach, das einem schwerfällt? Er erwidert: "Wo ist das Problem? Man muss ja lernen, nicht essen."

Deutlich wird: Die Kinder reden interessiert über das Thema, sie respektieren aber auch die Ansichten der anderen. Zum Abschied umringen die Schüler der 2B die KURIER-Reporterin. "Werden wir jetzt berühmt?", fragen ein paar der jungen Burschen. Und zum Thema Vorurteile: Sie alle wollen sich mit einem herzlichen Händedruck verabschieden.