Chronik/Wien

Schwule und Lesben: Wien will Berlin werden

Es beginnt beim lesbischen Paar, das eine Regenbogenfahne an seine Haustür hängte und jetzt mit der Hausverwaltung streiten muss. Und es endet beim schwulen Mann, der an seinem Arbeitsplatz von einem Kollegen in einen Spind eingesperrt wurde.

Das sind nur zwei der Fälle, mit denen die Wiener Anti-Diskriminierungsstelle zu tun hatte. Etwa 100 Klienten, sogenannte LGBTIQ-Personen (Lesbian, Gay, Bisexuals, Transgender, Intersexuals, Queer) – melden sich pro Jahr bei der Beratungsstelle. "Auch 2015 haben sich 50 Prozent am Arbeitsplatz nicht geoutet", sagt Wolfgang Wilhelm, Leiter der Wiener Anti-Diskriminierungsstelle. Obwohl Wien international als "schwulenfreundlich" gilt. Vor allem der Tourismus wirbt seit Jahren um homosexuelle Gäste.

Jetzt will die Stadt Wien einen Schritt weiter gehen. 2020 soll Wien die "Regenbogenhauptstadt Europas" sein. Das wurde sogar im Regierungsabkommen zwischen SPÖ und Grünen festgehalten. "Egal ob lesbisch, schwul, bi, trans, inter oder hetero. Wien steht zu dir" ist dort zu lesen.

Mahnmal

Aber wie will die Politik Wien zu einer Stadt machen, "die für ihr gesellschaftliches Klima der Offenheit geschätzt wird", wie es in dem Papier steht? Sie nimmt sich Berlin als Vorbild. "Berlin ist ein, zwei Schritte voraus, aber wir wollen Schritt halten", heißt es aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). "Berlin, aber auch Barcelona, haben international einen viel besseren Ruf", sagt auch Peter Kraus, der das Papier für die Grünen mitverhandelte.

Berlin hat zum Beispiel ein Regenbogenfamilienzentrum, wo sich gleichgeschlechtliche Eltern beraten lassen und austauschen können. Jetzt soll auch Wien so ein Zentrum bekommen. Bis wann, steht noch nicht fest, aber es sollen etwa Sozialarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Berlin hat auch ein Mahnmal für homosexuelle NS-Opfer, Wien nicht. Die rot-grüne Stadtregierung hat sich jetzt auf die Umsetzung eines "permanenten Mahnmals" geeinigt. Auch die Geschichte von Lesben, Schwulen, Trans- und Intersexuellen soll einen "sichtbaren Platz in der Wiener Museumslandschaft" bekommen.

Außerdem soll das Pflegepersonal der Stadt sensibilisiert werden. Bisher hätten sich viele Homosexuelle im Alters- oder Pflegeheim ein zweites Mal outen müssen. "Homosexuelle, die jetzt alt sind, waren oft noch mit dem Tod bedroht", sagt der schwule Bezirksvorsteher von Mariahilf, Markus Rumelhart (SPÖ). "Man soll sich im Alter nicht rechtfertigen müssen, warum da keine Kinderfotos neben dem Krankenbett stehen."

Die Stadt will außerdem mit Sozialpartnern und Unternehmen ein "Bündnis gegen Homophobie und Transphobie" gründen und enger mit der Polizei zusammenzuarbeiten, um "Hate Crimes" zu verhindern. Denn laut der aktuellen "Queer in Wien"-Studie erleben noch immer 27,8 Prozent der LGBTIQ-Personen Gewalt oder Diskriminierung im öffentlichen Raum.

Reaktionen

In der Community kommt das Vorhaben der Stadt gut an. "Ich tue mir schwer, etwas zu kritisieren", sagt Christian Högl, Obmann der Homosexuelle Initiative Wien. "Man muss schauen, was am Ende an Ergebnissen übrig bleibt."

Mit der Errichtung eines Regenbogenfamilienzentrums würde die Stadt eine langjährige Forderung des Vereins Familien Andersrum Österreich erfüllen: "Wir würden uns freuen, wenn die Stadt demnächst auf uns zukommt", sagt FAMOS-Obfrau Barbara Schlachter.

San Francisco ist es in den USA, Sydney in Australien, Berlin in Deutschland, Barcelona in Spanien. Die Städte, die international als "gay-friendly" gelten, also für ihre Freundlichkeit gegenüber Homosexuellen bekannt sind. In Wien wirbt der Wien Tourismus seit Ende der 90er-Jahre offensiv um homosexuelle Gäste. Viele Hotels, etwa das Le Meridien, deklarieren sich als "gay-friendly".

Bis 2020 soll Wien "Regenbogenhauptstadt" Europas werden. Dazu will die Stadt auch die EuroGames (European Gay & Lesbian Championships) und die Euro-Pride (Europas größtes Event für LGBT-Personen) nach Wien holen.