Chronik/Wien

Vor Wiener Drogen-Prozess: Polizeiliche Ermittlungsmethoden in Kritk

Anfang Jänner wird am Wiener Landesgericht gegen eine mutmaßliche Bande verhandelt, die ursprünglich verdächtigt wurde, tonnenweise Marihuana in Verkehr gesetzt zu haben. Der Fall wirft Zweifel an den Methoden der Polizei auf, die im Drogen-Bereich mit verdeckten Ermittlungen und Informationen von Vertrauenspersonen (VP) arbeitet, die selbst Polizeibeamte nicht immer für glaubwürdig halten.

Der angebliche Kopf der Gruppierung, die sich in wenigen Wochen vor einem Schöffensenat zu verantworten haben wird - ein Österreicher serbischer Herkunft - soll vor seiner Festnahme im Februar 2018 polizeiintern als eine Art heimischer Pablo Escobar gegolten haben. Auf die Spur des 37-Jährigen war man aufgrund eines Informanten gekommen, der behauptete, der Verdächtige habe es mit dem Verkauf von Cannabis-Kraut zum Millionär gebracht. Dieser Informant wurde von der Polizei aber nicht als Zeuge vernommen oder als Vertrauensperson registriert, weil der Beamte, der seine Informationen aufnahm und der den Mann schon länger kannte, diesen als "nicht ausreichend zuverlässig" einstufte. Das vertraute der betreffende Polizist später einem Haftrichter am Landesgericht an, der diesen Umstand in einem Aktenvermerk festhielt.

Fluchtgefahr

Der Inhalt der Informationen wurde ungeachtet der fragwürdigen Quelle aber offenbar für bare Münze genommen. Der mutmaßliche Drogen-Pate und seine Komplizen wurden allerdings im Februar 2019 vom Landesgericht nach mehrmonatiger U-Haft auf freien Fuß gesetzt. Nach Ansicht des Gerichts war bei den Ermittlungen gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen worden. Die Staatsanwaltschaft bekämpfte diese Entscheidung und machte den Haftgrund Fluchtgefahr geltend. Damit blitzte die Anklagebehörde aber beim Oberlandesgericht (OLG) und im Anschluss wieder beim Gericht ab, das feststellte, die von der Staatsanwaltschaft behaupteten Fluchtvorbereitungen des 37-Jährigen würden "aus einer nicht näher spezifizierten Quelle" stammen. Das OLG bestätigte insgesamt drei Mal die Rechtsmäßigkeit der aufgehobenen U-Haft. Der angebliche Pate, der die ihm vorgeworfenen Drogen-Geschäfte bestreitet, wird daher als freier Mann in sein Geschworenenverfahren gehen.

Die angeblichen Fluchtvorbereitungen hatte ein Beamter des Bundeskriminalamts der Staatsanwaltschaft Wien gemeldet, der sich dabei auf seine Funktion als VP-Führer eines registrierten Informanten berief. Gegen diesen Polizisten wird in anderem Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft St. Pölten ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs geführt. Das bestätigte Behördensprecher Leopold Bien der APA, wobei die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, wie Bien betonte. Der betreffende Polizist steht im Verdacht, als verdeckter Ermittler inhaltlich unrichtige bzw. unvollständige Berichte über Amtshandlungen rund um Drogen-Geschäfte verfasst und damit eine objektive und umfassende Aufklärung verhindert zu haben. Mögliches Motiv: der Beamte und ein mitverdächtiger zweiter Kollege wollten ihre VP schützen.

"Zu Unrecht belastet"

Für Elmar Kresbach, einen der Verteidiger in dem Wiener Verfahren, ist klar, dass der Hauptangeklagte von fragwürdigen Personen, die sich der Polizei als Informanten angedient hätten, zu Unrecht belastet wurde. "Aus Neid, weil er einen Ferrari und einen Rolls Royce gehabt hat", meinte Kresbach gegenüber der APA. Der 37-Jährige stamme nun einmal aus vermögendem Haus. Belege für Suchtgift-Geschäfte gebe es keine: "Das ist ein aufgeblasener Akt."

Überdies hätten sich die polizeilichen Berichte "gezielt gegen eine Bevölkerungsgruppe gerichtet", was sich laut Kresbach "an der rassistischen Bezeichnung des Aktes zeigt". Unter Anspielung auf die ethnische Herkunft sämtlicher Verdächtiger war gegen diese unter dem Schlagwort "Operation Roma" ermittelt worden. Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch nannte die polizeiliche Fallbezeichnung inakzeptabel, die Antidiskriminierungsstelle ZARA warf der Polizei vor, antiziganistische Vorurteile zu schüren.