Vier Pfoten: "Wir wären gerne überflüssig"
Von Bernhard Ichner
So beginnen Erfolgsgeschichten: Beim Brainstorming zu vorgerückter Stunde im Wiener Phönixhof. Einfach und knackig sollte der Name sein. Also einigte man sich nach dem vierten Bier auf "Vier Pfoten" – "zumindest bis uns ein besserer Name einfällt", erzählt Gründer Helmut "Heli" Dungler. Dazu kam es aber nicht. Und weil am 4. März 1988 der sogenannte Nichtuntersagungsbescheid der Vereinsbehörde erging – die "Vier Pfoten" also quasi geduldet wurden – feiert die international erfolgreiche Tierschutzorganisation heute, Sonntag, ihr 30-jähriges Jubiläum.
Eigentlich wollte Dungler ja Veterinärmedizin studieren. Doch die Vorlesung über die Vorteile von Legebatterien auf Hühnerfarmen änderte für den gebürtigen Niederösterreicher alles: Der "Mehrwert" für die Konsumenten, die vom Kot der Tiere unberührte – ergo "unkontaminierte" – Eier kaufen konnten und das "Glück" der unter ständiger Beobachtung stehenden Hühner wollte sich Dungler einfach nicht erschließen.
"Das fühlte sich in Kopf, Herz und Bauch falsch an: Der Sinn der Landwirtschaft kann doch nicht Billigproduktion sein, ohne die Lebensumstände der Tiere zu bedenken." Außerdem: Einige wenige Großbetriebe, statt klein strukturierter Landwirtschaft? Das wollte Dungler nicht vertreten. Er hängte das Studium also an den Nagel und heuerte bei der Umweltorganisation Greenpeace an.
Da sein Herz aber im Speziellen für Tiere schlug, disponierte er um. Noch ohne Vereinsnamen betrieb er mit Gleichgesinnten "individuelle Aufklärungsarbeit", um auf das Tierleid in Pelztierfarmen aufmerksam zu machen. Und zwar, indem mitten auf der Kärntner Straße eine Schaufensterpuppe mit Nerzkadavern behängt wurde. Ende der 80er-Jahre kam man mit solchen Aktionen noch in die Schlagzeilen.
Erfolge
Seit damals hat sich viel getan. Und aus einer Handvoll Idealisten wurde eine gemeinnützige Stiftung mit 470 Mitarbeitern in 13 Ländern. Hinter einigen Erfolgen der Tierschutzlobby waren die "Vier Pfoten" die treibende Kraft. So schreibt man sich etwa auf die Fahnen, dass 1998 im Waldviertel die letzte heimische Pelztierfarm zusperren musste (woran laut Dungler auch die engagierte Gerichtsberichterstattung des KURIER einen gewissen Anteil hatte).
Außerdem habe man die österreichischen Unternehmer von der Hühner-Freilufthaltung überzeugen können, erzählt der Tierschützer. So verbannte Karl Wlaschek 1994 Käfigeier aus den Billa-Regalen – was auch andere Supermärkte unter Druck setzte. 2009 wurde dann ein generelles Käfigverbot für Legehennen verhängt. Und auch, dass sich die heimischen Bio-Eier-Produzenten vor zwei Jahren entschieden, männliche Küken nicht mehr zu schreddern oder zu vergasen, sondern sie zumindest der Fleischproduktion zuzuführen, verbuchen die "Vier Pfoten" als ethischen Erfolg.
Die Organisation ist ebenso international aktiv. Was unter anderem dazu führte, dass Ende der 90er-Jahre in Bulgarien die Tanzbärenhaltung verboten wurde. Für Ex-Zirkus-Bären gründete man in Arbesbach im Waldviertel einen Bärenpark.
Visionen
Wunschlos glücklich ist Dungler freilich nicht – dafür gibt es noch zu viel zu tun. Etwa, "weil Käfigsysteme in der EU zwar verboten wurden, unsere eigenen Politiker aber solche Systeme in Osteuropa subventionieren", sagt er. "Und diese billig und mittels Tierquälerei produzierten Eier schädigen dann unsere Bauern." Verwendet würden solche Eier vor allem in Fertigwaren, die in der Gastronomie oder in Großküchen Verwendung finden.
Nachbesserungsbedarf gebe es zudem bei der Schweinefleischproduktion. Hier, meint der "Vier Pfoten"-Chef, könnte Österreich trotz geringerer Kapazitäten mit Qualitätsstandards punkten – so wie bei den Eiern. Dann könnten auch die Bauern langfristig überleben.
Das Allerschönste wäre allerdings, "wenn die Menschen ein Bewusstsein für Tiere entwickeln würden – weil dann wären wir überflüssig".