Chronik/Wien

Therapievorschläge für das kranke Wiener AKH

Es war ein dramatischer Aufschrei eines AKH-Chirurgen, der lieber anonym bleiben will: Werde der jetzige Vorschlag des Rektorats in Sachen neuer Arbeitszeit-Regelung umgesetzt, müssten ab Frühjahr die OP-Kapazitäten in Österreichs größtem Spital um die Hälfte reduziert werden (der KURIER berichtete).

"Solche Statements sind ein verständliches Resultat einer Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer und -geber", kommentiert Michael Gnant, Chef der Uniklinik für Chirurgie, trocken. Er war einer der Gäste bei der Podiumsdiskussion zum chronisch kranken Patienten AKH, zu der der KURIER am Mittwochabend ins Raiffeisen-Forum geladen hatte.

Gnant beruhigt: Das AKH werde auch in der jetzigen Situation seiner Aufgabe nachkommen, Leben zu retten. "Ja, wir haben derzeit Einschränkungen von etwa 50 Operationen pro Woche. Aber bis Ende April werden wir wieder die normalen Kapazitäten erreichen."

Droht der Kollaps?

Auch wenn dieses Loch gestopft ist – Österreichs größtes Spital leidet weiterhin an Personalnot und Geldmangel. Steht das AKH vor dem Kollaps, wie manche Mediziner warnen?

Gerne hätte der KURIER diese Frage auch an die zuständigen Politiker gerichtet. Doch weder Wissenschaftsminister, Gesundheitsstadträtin noch der Rektor der MedUni wollten an dem Diskussionsabend teilnehmen. Stattdessen mischte sich gleich eine Reihe von Pressesprechern als stille Beobachter ins Publikum.

"Wie kaum ein anderes Spital in Österreich erbringt das AKH eine unendliche Zahl an Spitzenleistungen", sagt Krebsspezialist Christoph Zielinski. Gleichzeitig müsse es aber auch Breitenversorgung für die Wiener Bevölkerung anbieten. "Dieser Spagat wird sich auf Dauer nicht mehr ausgehen", warnt er. Der Arzt fragt sich, ob an Wochenenden tatsächlich für jeden Patienten, der mit roten Augen ins AKH kommt, ein hochspezialisierter Professor bereitstehen müsse.

An fehlenden Ressourcen mangle es jedenfalls nicht, ist Genetiker Markus Hengstschläger überzeugt. "Es bräuchte bloß eine österreichweites Bekenntnis für eine Verwaltungsreform, schon gäbe es mehr Geld für die beste medizinische Versorgung."

Chirurg Gnant sieht das ähnlich: "Nach den Terroranschlägen von Paris standen plötzlich 300 Millionen Euro für ein Sicherheitspaket zur Verfügung. Das ist ungefähr 30-mal so viel wie die Summe, über die jetzt im AKH zwischen Ärzten und Dienstgeber diskutiert wird."

Kein Tag ohne Alarm-Meldungen aus dem AKH: Neben den Chirurgen sprechen jetzt auch die Radio-Diagnostiker von akuten Engpässen wegen der neuen Arbeitszeit-Regelung. Demnach seien die Kapazitäten bis Februar um zehn Prozent gesunken. Die Folge seien längere Wartezeiten für die Patienten.

Weiter für Diskussionen sorgt die neue Dienstzeit-Regelung auch in den Spitälern des Krankenanstaltenverbunds (KAV). Wie berichtet, hatten fünf Kollegiensprecher der Primarärzte schriftlich bei Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) gegen die geplante Reduktion von mehr als zehn Prozent aller Dienstposten protestiert. Unter diesen Bedingungen könne die medizinische Versorgung in der derzeitigen Form nicht aufrechterhalten werden, hieß es. Mittwoch gab es dazu ein klärendes Gespräch bei Wehsely. Die Bedenken seien dabei weitgehend ausgeräumt worden, sagt Ludwig Kramer, Primar in Hietzing und einer der Unterzeichner des Briefes.
Dies gilt freilich längst nicht für alle Ärzte, wie die Ärztekammer-Kuriensitzung am Donnerstag zeigte. Die Vertreter der Spitalsärzte konnten sich dabei nicht darauf einigen, den KAV-Medizinern bei der im März anstehenden Urabstimmung die Annahme des Dienstzeiten-Pakets zu empfehlen. Die Sitzung wurde letztlich vertagt, hieß es seitens der Kammer. Die elektronische Befragung der KAV-Ärzte findet zwischen 5. und 8. März statt. Ob sich dabei eine Mehrheit für die Dienstzeit-Reform ausgeht, ist ungewiss.