Chronik/Wien

Verfassungsschutz neu: Länder bei Terrorbekämpfung stärker in der Pflicht

Im September 2021 hat sie begonnen, nun ist sie vollendete: Die Reform der LVTs - der Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Gleich vorweg: Der Name wird nicht viel kürzer. Künftig werden aus den LVTs die LSEs. Die Landesämter für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung.

Keine nachrichtendienstliche Tätigkeit mehr

Doch eben jener Name ist Programm und beinhaltet auch die zentrale Änderung. Denn die Außenstellen in den Ländern der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) werden sich künftig nur mehr um den Staatsschutz kümmern. Der nachrichtendienstliche Aspekt fällt weg.

Was dies in der Praxis bedeutet?

Die wohl einschneidendste Neuerung: Die Einschätzung, wer in Österreich als sogenannter Hochgefährder gilt, also eine Person, die eine besondere Gefahr für den Staat darstellt, obliegt künftig den Ländern und nicht mehr der Zentrale in Wien.

Alles in engster Absprache, wie am Dienstag bei der Präsentation der Reform mit Innenminister Gerhard Karner (ÖV), DSN-Direktor und Projektleiter Omar Haijawi-Pirchner und dem Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Franz Ruf im Innenministerium betont wurde. "Wir brauchen diese Regional-Reform der DSN aufgrund der aktuellen Bedrohungen", sagte Karner.

150 Hochgefährder in Österreich

150 Hochgefährder gibt es aktuell in Österreich. 50 bis 60 sind der islamistischen Szene zuzurechnen, der Rest entfällt auf den rechtsextremen Bereich.

Dass die Gefährdungseinschätzung und auch das damit verbundene Risikomanagement ausgelagert wird, macht durchaus Sinn. Denn in den LSE sitzen jene Experten, die tagtäglich mit den Betroffen zu tun haben und sie wohl am besten kennen und auch einschätzen können. "In der DSN werden alle Gefährdungsanalysen dann gesammelt. Wir verfügen seit 2021 über spezielle Bewertungstool für die rechtsextreme, als auch die islamistische Szene", erklärte der DSN-Direktor.

Einher mit der Auslagerung sollen einheitliche, österreichweite Standards erarbeitet und Schulungen abgehalten werden.

Besuche in Schulen

Überhaupt kommen auf die Mitarbeiter der LSE in den Ländern viele Weiterbildungen zu. Denn ein Hauptaugenmerk soll auch auf die Prävention gelegt werden. Konkret sollen Extremismus und Radikalisierung durch die Beamten frühzeitig erkannt werden. Dafür soll es auch Besuche in Schulen, oder Vereinen von speziell geschulten Beamten geben.

80 Personen werden dafür heuer noch ausgebildet. Ein Lehrgang mit 25 Personen sei bereits im vollen Gange. Vergleichbar ist der Ansatz mit jenen der Präventionsbeamten aus den Landeskriminalämtern. Der erste Lehrgang drückt bereits die Schulbank. Ausgebildet wird dabei österreichweit, gleichzeitig in mehreren Bundesländern.

"Normale Polizisten" als Augen und Ohren

Bemerkenswert ist auch, dass man „normale“ Polizisten als „Augen und Ohren“ für den Staatsschutz nutzen will. Genannt wird das ganze: Staatsschutz Sensoren. Will heißen: Polizisten können sich künftig freiwillig bei den LSE melden und fungieren dann als Sensoren auf den Straßen. Oder wie es der Innenminister erklärte: "Sie sind unsere Augen und Ohren vom Bodensee bis zum Neusiedlersee. Damit Informationen rascher weitergegeben werden können."

Die Polizisten schlagen also Alarm, wenn etwa ein verdächtiges Graffiti auftaucht. DSN-Direktor Haijawi-Pirchner: "Die Beamten erhalten eine mehrmonatige Ausbildung bei ihrem zuständigen LSE und werden dann auch regelmäßig nachgeschult."

Das Modell ist nicht neu. Vor Jahren gab es bereits ähnliche Ansätze in Niederösterreich. Am Ende verlief der Versuch allerdings im Sand.

Cybercrime

Abschließende Änderung: Cybercrime. Auch hier sollen die LSE-Experten künftig bei hochkomplexen Fällen, wie etwa dem großen Hackerangriff auf das Land Kärnten hinzugezogen werden. Mit ihrer Expertise für die Auswertung von Datenträgern, oder bei der digitalen Forensik. In der LSE soll dafür auch ein eigener Bereich entstehen. "In sechs Bundesländern entstehen eigene Cybercrime-Ausbildungs-Zentren, die aber auch im Zuge der Kriminaldienstreform genutzt werden", betonte Ruf.

Mehr Befugnisse für Polizei?

Ob es dabei auch mehr Befugnisse für die Polizei gibt? DSN-Direktor, Omar Haijawi Pirchner, hatte erst vor kurzem in einem Interview den Zugriff auf Smartphones bzw. spezielle Apps auf den Mobiltelefonen gefordert. Denn während Kriminelle verschlüsselte Messenger-Dienste wie Signal oder Telegram nützen, sind den Ermittlern mit der aktuellen rechtlichen Lage die Hände gebunden.

Innenminister Karner betonte bei der Pressekonferenz: "Wir sind mit unserem Koalitionspartner in enger Abstimmung, wie dies möglich gemacht werden kann." Und der DSN-Direktor fügte hinzu: "Für uns ist es wichtig, rechtzeitig zu erkennen, wie sich extremistische Gruppen positionieren. Wir sehen aber nicht, wo Gefährder genau kommunizieren mit den Möglichkeiten, die wir aktuell haben."

Alle Chefposten werden neu ausgeschrieben

Umgesetzt werden soll die Reform übrigens bis Anfang 2024. Auch auf der Chefebene soll alles neu werden. Offenbar werden alle Leitungsfunktionen der bisherigen Staatsschutzchefs in den Bundesländern neu ausgeschrieben. Fix ist auch, dass bundesweit 160 Personen mehr für die neuen Aufgaben bereitgestellt werden sollen. 160 Personen mit 160 neuen Planstellen, wie es heißt. "Dies Zahl ist generell in den Aufnahmezahlen vorgesehen", erklärte Generaldirektor Franz Ruf.

Ende des Reformprozesses

Der Reformprozess, vom skandalgebeutelten Bundesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) - mit rechtswidrigen Hausdurchsuchungen und dem Vertrauensverlust internationaler Partner - hin zur DSN ist mit der Neuaufstellung der LSE jedenfalls abgeschlossen.