Chronik/Wien

Bürgermeister Ludwig: "Wir erwarten eine zweite Welle"

Das unwetterbedingte Hochwasser hat auch die Bundeshauptstadt erreicht. Für den Wienfluss war am Sonntag bereits die Rede von einem 100-jährlichen Hochwasser, wie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Mediengespräch zusammen mit Vertretern des Einsatzstabes erklärte.

Derzeit gingen die Pegelstände jedoch zurück, sagte Ludwig. Wienweit wurden bisher sechs Personen durch die Folgen des Unwetters verletzt, hieß es bei einem Pressegespräch am Sonntagnachmittag.

"Es sind Personen durch Sturmeinwirkung verletzt worden, durch herabstürzende Äste oder Bäume", sagte Ludwig. Einsatzkräfte seien bisher noch nicht zu Schaden gekommen, erklärte der Stadtchef.

Entwarnung wollte Ludwig jedoch noch nicht gegeben. "Wir erwarten aber für morgen eine zweite Welle, was Regen betrifft, aber auch was Hochwasser betrifft", erklärte Ludwig.

Zu Mittag drohte der Wienfluss an weiteren Stellen über die Ufer zu treten, nachdem es bereits in der Nacht auf Sonntag bzw. in den Morgenstunden in Penzing zu Überschwemmungen gekommen war. Aus Sicherheitsgründen kam es zu Sperren der Westautobahn.

Zahlreiche Sperren

Wegen der Hochwassersituation kam es im Bereich der Westautobahn auch zu Sperren. Konkret wurde die Ein- und Ausfahrt der Westautobahn im Bereich Hütteldorfer Brücke bis Deutschordenstraße bis auf weiteres gesperrt. "Um Einsatzkräfte nicht zu behindern, bitten wir die Bevölkerung, diesen Bereich zu ihrer eigenen Sicherheit dringend zu meiden. Bitte unterlassen Sie Reisen in Fahrtrichtung Westen, bis sich die Situation entspannt hat", appellierte Thomas Kozuh-Schneeberger, der Sprecher der MA 45 (Wiener Gewässer), an die Bevölkerung.

Gegenüber der APA erläuterte Kozuh-Schneeberger, die Auffangbecken für den Wienfluss seien inzwischen voll. Diese befinden sich im Bereich Auhof und sind dazu gedacht, Wassermassen aufzunehmen, die aus dem Umland Richtung Stadt fließen. "Der Wienfluss fließt jetzt unentschärft in die Innenstadt", schilderte Kozuh-Schneeberger. Der Kai beim Wienfluss auf Höhe Hütteldorf wurde laut Augenzeugen gesperrt. Teilweise überflutet waren auch Bereiche der Südosttangente (A23).

Zunächst war der Wienfluss in Penzing im Bereich Ludwiggasse über die Ufer getreten. Einige Gebäude können nur mehr mit Booten erreicht werden. Wie die Berufsfeuerwehr mitteilte, wurden in den frühen Morgenstunden Menschen evakuiert. Betroffen waren laut Gerald Schimpf, dem Sprecher der Wiener Berufsfeuerwehr, "eine Handvoll Häuser", die direkt am Wienfluss liegen. Die darin wohnhaften Menschen seien großteils privat untergekommen.

Die Wiener Linien mussten ihren U-Bahn-Betrieb erheblich einschränken. Aktuell rechnen die Wiener Linien mit keinem regulären Betrieb vor Mittwoch. "Die Situation ist weiterhin angespannt und ein Rückgang des Pegels ist noch nicht abzusehen. Sobald der Wasserstand zu sinken beginnt, kann mit den Abbauarbeiten der Flut-Sicherungsmaßnahmen, welche bis zu zwölf Stunden dauern können, begonnen werden", wurde am Sonntagnachmittag seitens des Unternehmens mitgeteilt.

Der Wienfluss hatte bereits in der Nacht einen kritischen Pegelstand erreicht. Auch der Wasserstand am Donaukanal stieg massiv an. Die Wiener Linien sahen sich daher zu umfassenden Schutzmaßnahmen an verschiedenen U-Bahn-Linien veranlasst. Die gefährdeten U-Bahn-Trassen wurden mit Dammbalken und Sandsäcken vor dem eindringenden Wasser geschützt. Der U-Bahn-Betrieb musste teilweise eingestellt werden. Zudem mussten die Tunnel-Vortriebsarbeiten an der U2-Baustelle-Pilgramgasse aufgrund des kritischen Pegelstands eingestellt werden. Alle Arbeiter verließen die Baustelle geordnet. "Der Einfluss des Hochwassers auf andere Baustellen der Wiener Linien ist derzeit noch nicht absehbar. Es ist aber mit weiteren Auswirkungen zu rechnen", teilte Andrea Zefferer, Sprecherin der Wiener Linien, der APA mit.

Die U4 verkehrte nur mehr zwischen den Stationen Heiligenstadt und Friedensbrücke, die U6 wurde vorerst zwischen Floridsdorf und Westbahnhof sowie Bahnhof Meidling und Siebenhirten geführt. Die U3 wurde zwischen den Stationen Rochusgasse und Simmering eingestellt. "Weichen Sie nach Möglichkeit bitte großräumig auf andere Linien aus", ersuchten die Wiener Linien Öffi-Nutzende.

Sperren und Ersatz

Auf der Linie der U4 wurde zwischen den Stationen Hütteldorf und Karlsplatz ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Die Haltestellen sind in der WienMobil App unter "Betriebsinfo" - "geplant" - "U4 Hochwasser" zu finden. Außerdem steht weiter die Straßenbahnlinie D zwischen Heiligenstadt und Karlsplatz zur Verfügung. Als Ersatz für die U6 wurde die Straßenbahnlinie 62 verlängert - sie wird bis auf weiteres auf der Route Lainz - Bahnhof Meidling und den U Bahn-Stationen Margaretengürtel - Westbahnhof - Burggasse geführt.

Am Vormittag musste auch die U2 zum Teil gesperrt werden. Sie ist seither nur zwischen Seestadt und Taborstraße unterwegs. Die am Donaukanal liegende Station Schottenring sowie die Station Schottentor/Universität werden nicht angefahren. Die Wiener Linien empfehlen, auf die Straßenbahnlinien 1 und 71 auszuweichen.

Der Dauerregen und teilweise orkanartiger Sturm forderten die Einsatzkräfte der Wiener Berufsfeuerwehr. Innerhalb der vergangenen Stunden wurden mehr als 1.100 Einsätze im Wiener Stadtgebiet absolviert. Gefährliche Situationen waren im Bereich des Wienflusses und des Liesingbachs zu beseitigen. Die eine Hälfte der Einsätze waren auf den Niederschlag, die andere auf den Sturm zurückzuführen. Umgestürzte Bäume und abgebrochene Äste mussten entfernt werden, Wassereintritte in Gebäude, Keller und Tiefgaragen waren zu bekämpfen.

Unter Kontrolle ist laut dem MA45-Sprecher die Situation an der Donau bzw. an der Neuen Donau - die als Entlastungsgerinne fungiert - und am Donaukanal. An der Neuen Donau seien zwar Bereiche überflutet, dies sei aber bei Hochwasserereignissen so vorgesehen. Auch die Situation am Liesingbach im Süden der Stadt ist laut dem Sprecher vorerst noch nicht problematisch was den Pegelstand anbelangt.

Die Donau erreichte am Sonntag an der für Wien maßgeblichen Messstelle Korneuburg einen Pegelstand von 7,4 Meter. Am Tag davor waren es 5,85 Meter. Ab einem Pegelstand von 5,20 Metern werden bei Korneuburg die Wehrfelder des Einlaufbauwerks überströmt, was den Hochwasserschutz in Wien gewährleistet. Das Donauwasser fließt dann zunächst ohne Zutun in die Neue Donau. Ab einem Pegelstand von sechs Meter werden die Wehrfelder langsam geöffnet und das Hochwasser kontrolliert abgeleitet.

"Seit gestern sind alle drei Wehranlagen, aufgrund der hochwasserführenden Donau durch die MA 45 besetzt. Auf der Donauinsel wurden sämtliche Treppelwege gesperrt. Die Lage ist jedoch unter Kontrolle", hieß es in der am Sonntag aktualisierten Hochwasserinformation bzw. -warnung für Wien. Dank Donauinsel und Neuer Donau sei Wien beim Donauhochwasserschutz auf große Wassermengen vorbereitet. Die Donauinsel sei mit 21 Kilometer Länge und rund 210 Meter Breite "ein riesiger Schutzbau", der die Neue Donau als Entlastungsgerinne für den Donaustrom flankiere, betonte die MA 45 am Wochenende: "Bei hohem Wasserstand entlastet die Neue Donau die Donau. Die Neue Donau ist dabei mit drei Wehranlagen ausgestattet."

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Der aktuelle Pegelstand der Donau in Korneuburg ist übrigens nicht mehr weit von der Marke entfernt, die beim Rekordhochwasser 2013 erreicht wurde. In der Nacht auf den 6. Juni 2013 wurde bei einem so genannten hundertjährlichen Hochwasser ein Pegelhöchstwert von 8,09 Metern verzeichnet. Das war die höchste Marke seit Errichtung des Donau-Hochwasserschutzes 1988.