Ziesel sollen das Ufer wechseln
Von Bernhard Ichner
Liebe Zieselinnen und Ziesel“, appellierte Komiker Rudi Roubinek im satirischen Puls4-Format „Bist du deppert“ mittels Megafon politisch korrekt an die Nager. „Die Politik hat Ihnen wiederholt die Pfote zum Dialog hingestreckt. Lassen Sie es nicht zum Äußersten kommen! Denn bedenken Sie: anderswo ist’s auch schön.“
Anderswo hieße: nicht auf dem Gelände nördlich des Stammersdorfer Heeresspitals, wo eine Population der streng geschützten Tiere seit Jahren die Errichtung von rund 950 Wohnungen verhindert (siehe Zusatzbericht). Darum bemühen sich die Bauträger, die geschätzten 200 Ziesel „sanft umzulenken“ – und zwar in das Naturschutzgebiet jenseits des Marchfeldkanals. Durch sukzessives Nicht-Mähen ihrer heimatlichen Wiesen will man sie dazu bewegen, durch eine Röhre das Ufer zu wechseln.
Beaufsichtigt wird das Unterfangen von der MA22 (Umweltschutz), die den Ziesel-Bestand „langfristig sichern“ will. Aus diesem Grund gab man vor Kurzem auch den „Zieselaktionsplan Wien“ heraus. Da darin allerdings die Zukunftsperspektiven einzelner Populationen unterschiedlich bewertet werden, stehen die amtlichen Umweltschützer jetzt in der Kritik.
„Konflikte vermeiden“
Dass ausgerechnet der Population beim Heeresspital keine rosigen Zukunftsaussichten bescheinigt werden, überrascht die Kritiker wenig. Sie haben den Eindruck, die MA22 wolle „potenzielle Konflikte mit dem Stadtwachstum vermeiden“.
Biologin Ilse Hoffmann von der Uni Wien hat am Ziesel-Aktionsplan zwar mitgearbeitet. Sie kann die unterschiedlichen Prognosen aber auch nicht nachvollziehen.
Zumal etwa dem großen Vorkommen am Bisamberg und in Stammersdorf vom Amt bessere Überlebenschancen eingeräumt werden, als den Zieseln beim Heeresspital auf der anderen Seite der Brünner Straße. „Kleinere Populationen wie diese gehören genauso geschützt, wie große“, meint die Forscherin.
Neue Schutzgebiete
Bei der MA22 weist man den Vorwurf der stiefmütterlichen Behandlung einzelner Ziesel-Vorkommen jedenfalls zurück.
Vielmehr wolle man segmentierte Populationen (wie die beim Heeresspital) nicht stärken, sondern ihnen zwecks nachhaltiger Absicherung die Möglichkeit zur Vernetzung mit anderen Gebieten geben, erklärt Leiterin Karin Büchl-Krammerstätter.
Um den Bestand der wienweit geschätzten 8500 Ziesel „zu sichern und zu stärken“, würden zudem neue Schutzgebiete im 10., 21. und 22. Bezirk definiert.
Peter Fleissner, Geschäftsführer des Bauträgers „Kabelwerk“, gibt sich optimistisch. Er rechnet damit, dass für den Bau der rund 950 Wohnungen auf dem Areal beim Stammersdorfer Heeresspital noch heuer die Baubewilligung erteilt wird. „Ich gehe von einem Baubeginn 2016 aus“, sagt er zum KURIER.
Wie berichtet, kostete der Baugrund, der seit Jahren von den streng geschützten Zieseln „blockiert“ wird, rund 13 Millionen Euro. Dazu kommen mittlerweile Zinsen „im sechsstelligen Bereich“. Von einer Geldverschwendung (wie von Puls4 behauptet) könne aber keine Rede sein. „Schließlich soll ja noch gebaut werden.“
In den vergangenen Jahren waren es rund 200 Ziesel, die von Biologin Ilse Hoffmann auf dem Gelände gezählt wurden. Erst wenn diese mehrheitlich auf die andere Seite des Marchfeldkanals übersiedelt sind, wird die Behörde dem Baubeginn zustimmen.
„Wir warten seit einem halben Jahr auf eine Antwort der MA22. In Randbereichen sind kaum noch Ziesel da, dort könnten wir bereits mit den Bauarbeiten beginnen. Aber uns fehlt der Bescheid“, erklärt Fleissner. Auch dem Bauträger gehe es um den Erhalt der Tiere, versichert er.
Die „IGL Marchfeldkanal“ lädt indes Interessierte zu fachkundigen Ziesel-Führungen ein.