Chronik/Wien

Touristen aus China erobern Wien

Eine Reise nach Weiyana? Immer mehr Chinesen zieht es nach Weiyana, hierzulande besser bekannt als Wien – steht die Stadt doch für imperiale Pracht und ausgedehnte Einkaufstouren. Im Vorjahr zählte man in Wien 285.000 Nächtigungen chinesischer Gäste – das sind doppelt so viele wie noch 2011. Chinesen belegen mittlerweile Platz zwei bei Touristen, die aus Ländern außerhalb Europas anreisen. Zudem sind viele der Besucher durchaus zahlungskräftig: Gäste aus Hongkong etwa geben im Schnitt 1700 Euro pro Wien-Urlaub aus. Hotellerie und Handel stellen sich daher verstärkt auf Gäste aus China ein.

Warum träumen Chinesen von einer Reise nach Weiyana? Jeannie Hsu führt seit 1989 chinesische Touristen durch Wien – ihrer Erfahrung nach spielt das Fernsehen eine wichtige Rolle: die Sissi-Filme gehören ebenso dazu wie die TV-Übertragung des Neujahrskonzerts.

"Früher waren die meisten europäischen Filme in China verboten", erklärt Hsu. Die Ausnahme waren idyllische Filme wie jene über Kaiserin Sissi: "Ältere Chinesen haben diese Filme drei, vier Mal gesehen. Das war fast eine Art Gehirnwäsche." Zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten zählen daher auch Schönbrunn und der Goldene Saal des Wiener Musikvereins.

"Shopping ist ein Muss"

Freilich ist auch Einkaufen wichtig: "Eine Shoppingtour ist ein Muss", betont Hsu. Zentral sei, Geschenke für Verwandte, Freunde und Kollegen zu erstehen: "Diese Tradition stammt aus der Zeit, als nur die Reichen reisen konnten. Seitdem gilt es als Statussymbol, dass man Geschenke aus weit entfernten Ländern mitbringt." Besonders beliebt seien Schmuck, teure Uhren und Markenkleidung.

Das bestätigt Philipp Pelz, Geschäftsführer vom Juwelier Wempe in der Wiener Innenstadt: "Chinesen kaufen gerne europäische Luxusmarken. Sie schätzen Qualität und etablierte Namen." Seine chinesische Kundschaft umfasse unter anderem erfolgreiche junge Firmengründer sowie ältere Geschäftsmänner.

Besonders gefragt seien Uhren: "Manche kaufen eher günstige Modelle. Wir haben aber auch schon eine Uhr um 240.000 Euro verkauft", schildert Pelz. Um Kunden aus China die bestmögliche Beratung bieten zu können, beschäftigt er seit rund drei Jahren einen chinesischen Mitarbeiter.

Aber nicht nur Juweliere, auch Gastronomie und Hotellerie stellen sich auf Gäste aus China ein: Lisa Rock, China-Expertin und Gründerin des Chinazentrums in Wien, bietet interkulturelle Trainings für die Mitarbeiter verschiedener Betriebe an.

Missverständnisse

Sie erklärt einige der kulturellen Unterschiede, die zuweilen für Missverständnisse sorgen. So seien Wiener Kellner häufig über Essensbestellung von Chinesen verwundert. Denn, so Rock: "In China ist es üblich, dass nicht pro Person bestellt wird, sondern dass Vor-, Haupt- und Nachspeisen gleichzeitig auf den Tisch kommen." Jeder könne dann von allem nehmen. "Da wird schon mal die Vanillesauce über das Schnitzel gegossen", ergänzt Rock und lacht. Traditionell werde außerdem viel zu viel Essen bestellt: "Würde kein Essen überbleiben, käme das einem Gesichtsverlust gleich."

Wichtig sei zudem sofortige Bedienung: "Während sich Österreicher in Geschäften erst einmal umsehen, erwarten Chinesen, dass sofort ein Verkäufer für sie bereitsteht", erläutert Rock. Ebenfalls entscheidend sei ein Zugang zum Internet: "Chinesen kommunizieren extrem viel über Soziale Medien", schildert Rock. Fotos von den Reisen zu posten, gelte als Statussymbol: "Daher rate ich den Betrieben, die Passwörter für den Internetzugang gut sichtbar aufzuhängen."

Norbert Kettner, Geschäftsführer von Wien Tourismus, erwartet in Zukunft jedenfalls noch mehr Touristen aus China (siehe Interview). Für die bestmögliche Vorbereitung plant Wien Tourismus im November ein Symposium für 150 Experten aus der Wiener Reisebranche. Das Motto der Veranstaltung: "Welcome to Weiyana".