Tierschutzverein wird für die Stadt Wien zum Konkurrenten
Von Bernhard Ichner
Der Wiener Tierschutzverein (WTV) will nicht länger im Dienste der Stadt Wien stehen. Darum wurde vor Kurzem der letzte bestehende Leistungsvertrag gekündigt. „Damit spielen wir uns frei“, erklärt WTV-Präsidentin Madeleine Petrovic. Unter anderem will man nun eine eigene Tierrettung aufbauen.
Bis vor drei Jahren hatte die Stadt ihre gesetzliche Verpflichtung, für herrenlose und beschlagnahmte Tiere zu sorgen, komplett an den Verein abgetreten. Und der kassierte dafür einen Tagsatz – etwa 12 Euro pro Hund und 8 Euro pro Katze. In Summe betrug das Leistungsentgelt rund 900.000 Euro pro Jahr.
Dann eröffnete Wiens Tierschutzstadträtin Ulli Sima (SPÖ) im März 2015 das stadteigene Tierquartier in der Donaustadt und der Leistungsvertrag mit dem WTV lief aus. Herrenlose Wiener Haustiere kamen ab da nicht mehr ins Tierschutzhaus nach Vösendorf (NÖ), sondern in den 22. Bezirk. (Die herrenlosen Tiere aus NÖ blieben dem WTV.) Und auch der Tierrettungsdienst ging an die Stadt. Mittlerweile wurde daraus ein Fundservice für Haustiere.
Keine Pflichten mehr
Ein kleiner Leistungsvertrag hatte bis zuletzt aber noch Bestand. Er regelte die Betreuung von verletzten Wildtieren wie Igeln, Eichhörnchen und Bibern sowie von Vögeln und brachte dem WTV rund 100.000 Euro im Jahr. Im Dezember habe man per Einschreiben gekündigt, berichtet . Mit 31. Dezember 2018 läuft er aus. Eine Reaktion aus Simas Ressort sei bis dato ausgeblieben.
Mit dem Ende der Vertragspartnerschaft entledige man sich aller Verpflichtungen, sagt die WTV-Chefin. „Wir haben keine Berichterstattungspflicht mehr. Wir müssen Hunde und Katzen nicht mehr ohne Kostenersatz an die Stadt übergeben. Und das Rettungswesen muss auch nicht zu 100 Prozent der Stadt gehören.“
Dass mit der Vertragskündigung auch das von der Stadt angebotene Ersatzgrundstück für das Tierschutzhaus in der Vorarlberger Allee Geschichte sein dürfte, ist Petrovic klar. „Der Grund ist passé“, sagt sie. „Wir konnten den Vertrag nicht unterschreiben, weil er uns nur Nachteile beschert hätte. Unter anderem hätte man uns für Planung, Bau und Übersiedlung nur acht Jahre Zeit gegeben.“
Altlasten
Fakt ist aber: Im auf den Altlasten einer ehemaligen Raffinerie erbauten Tierschutzhaus in kann man langfristig nicht bleiben. Dort quillt im Innenhof Teer aus dem Boden (siehe Bild unten) und die Wände sind zum Teil verschimmelt. Sowohl ein Human-, als auch ein Ökotoxikologe hätten dringend weitere Gutachten empfohlen.
Nun müsse man sich eben auf dem freien Markt umschauen, erklärt Petrovic. „Wir müssen zwar wirtschaftlich agieren, mittellos sind wir aber nicht.“
Im Büro von Ulli Sima reagiert man auf KURIER-Nachfrage „betrübt“ auf die Vertragskündigung. Man sei immer an einer guten Zusammenarbeit im Sinne der Tiere interessiert gewesen. Zumal im Tierquartier ausschließlich Haustiere betreut werden und für Reptilien, Vögel und Wildtiere eine Kooperation nötig sei. Man habe kein Interesse daran, dem WTV zu schaden und werde sich bemühen, eine Gesprächsbasis zu finden, sagt Sima-Sprecherin Anita Voraberger. "Unsere Hand bleibt ausgestreckt."