Terror-Prozess: Urlaub oder Jihad?
Von Nihad Amara
Die Metamorphose war zuerst nach außen sichtbar: Osman K., 20, ein Österreicher mit türkischen Wurzeln, trug plötzlich einen Kaftan und einen langen Rauschebart. Er betete fünf Mal täglich in der bei Salafisten beliebten Altun-Alem-Moschee, untersagte seiner Familie das Fernsehen, weil „Frauen nackt zu sehen sind“.
Am 20. Juni des Vorjahres war er weg. Heimlich hatte er sich etwas von seinem Lehrlingsgeld zurückgelegt. Sein Reisepass fehlte. Als er am 3. Dezember wieder einreiste, nahmen ihn Verfassungsschützer fest.
Wo war er in dieser Zeit? Wie einige junge Europäer mit moslemischem Hintergrund in einem Terror-Camp in Syrien, glaubt die Staatsanwältin. Kann sie es beweisen, dann drohen ihm sechs Monate bis zehn Jahre Haft (Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung; § 278b). Daran haperte es am ersten Prozesstag vor einem Schöffensenat im Wiener Straflandesgericht. Zwar sicherte man Chat-Nachrichten, in denen K. über seine Syrien-Mission offen plauderte. Doch der letzte Beweis, dass er wirklich dort war, scheint zu fehlen.
Brüder und Freunde recherchierten auf eigene Faust, wo er geblieben sein könnte. "Sei froh, dass er in Syrien kämpft", hieß es in einer Wiener Moschee. Daraufhin schalteten sie die Behörden ein.
K. war dem Einfluss seiner Familie schleichend entglitten. Ein Bruder umschrieb es so: "Seine Glaubensbrüder waren ihm wichtiger als wir." Er blieb immer länger weg – für das Nachtgebet. Ein Mal begleitete ihn einer seiner Brüder in den Gebetsraum: "Das war eine Gehirnwäsche. Die redeten nur vom Krieg", erzählte er später den Beamten.
Das passte ins Bild, das Verfassungsschützer vom Gebetshaus im zweiten Bezirk hatten. Ein Prediger rufe dort , so hielten sie es in einem Bericht fest, dazu auf, in Syrien am Krieg teilzunehmen.
K. stritt alles ab – selbst strafrechtlich irrelevante Dinge. Sein einst langer Rauschebart, ein Markenzeichen für Islamisten, habe "nichts mit meiner religiösen Einstellung zu tun".
Facebook-Chat
Der 20-Jährige erzählte die Geschichte eines jungen Erwachsenen, der gegen das strenge Elternhaus protestierte. Deshalb sei er in seine Heimat in die Türkei "abgehaut", um "Urlaub zu machen". Seine Schilderungen über Syrien tat er als Prahlerei ab. Die Dialoge in seinem Facebook-Chat lassen aber kaum Interpretationsspielraum:
Ein Freund fragt: "Wann werden wir dein Gesicht wiedersehen?"
Antwort: "Im Jenseits."
Danach fragt derselbe: "Reist du heute nach Syrien?"
Der 20-Jährige: "Ja" .
Sogar welche Terror-Schule er sich ausgesucht haben soll, geht daraus hervor. Er brachte den Namen Al-Nusra-Front ins Spiel. Auf die Gegenfrage, ob das ein El-Kaida-Ableger sei, antwortete er mit einem Smiley. Ein Verwandter, der via Skype mit K. kommunizierte, hielt fest: "Ich habe ihm eine Anleitung geben müssen, weil alles auf Arabisch war."
Für K. war dies "nur ein Spaß. Ich wollte sehen, wie sie reagieren."
Verhalten reagierten Verwandte und ein Freund vor Gericht. Von ihren bereitwilligen Angaben vor den Verfassungsschützern blieb nichts übrig. Ein Bruder gab an, maßlos übertrieben zu haben, ein Freund führte seine Erstaussage auf "psychische Probleme" zurück..
Verteidiger Georg Haunschmidt sprach von einem "Indizienprozess" und von "jugendlicher Prahlerei", die seinen Mandanten auf die Anklagebank gebracht habe. "Es fehlt der direkte Nachweis, dass er in Syrien war."
Der Prozess wurde auf den 13. Mai vertagt. Ein Onkel und eine Tante, die K. während seines angeblichen Türkei-Aufenthalts beherbergt haben sollen, sind dann im Zeugenstand.