Chronik/Wien

Spitäler suchen "Männer fürs Grobe"

Eine „konsequente, jedoch freundliche Art durchzugreifen“ und ein „kräftiges Erscheinungsbild“ sollte ein Security-Mann aufweisen. Als Arbeitsmittel sind u. a. Pfefferspray, Fixierband, ein Tonfa (ein Schlagstock, Anm.) und Schutzwesten erforderlich, steht in der aktuellen Ausschreibung des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV). Gesucht wird eine private Sicherheitsfirma für das Otto-Wagner-Spital, das Krankenhaus Rudolfstiftung und das Franz-Josef-Spital.

Zum Schutz von „Leib, Leben und Gesundheit“ kommt man mit einem freundlichen Auftreten nämlich nicht weiter. Es wird hart durchgegriffen – auf Anweisung des medizinischen Personals und im Notfall auch ohne, wie weiter geschrieben steht. Die Zeilen lassen viel Spielraum für die praktische Umsetzung.

Nothilfe ausreizen

Wenn also ein Patient randaliert, darf ihn der Security-Mann auf Befehl der zierlichen Krankenschwester festhalten? „Im Sinne einer Nothilfe schon“, sagt Bernhard Rappert vom Vertretungsnetz Patientenanwaltschaft – so wie jeder Zivilist, der Zeuge von Gewalt wird. Aber: „Wenn der Krankenhausträger seine Mitarbeiter laufend in Gefahrensituationen schickt, kann man sich nicht mehr auf Notwehr bzw. Nothilfe berufen.“

Um den Gefahren durch Patienten oder Besucher Herr zu werden, wäre also mehr geschultes Pflegepersonal nötig, betont Rappert. „Ein privater Security-Mann kostet aber viel weniger als ein diplomierter Krankenpfleger. Uns berichtet auch das Pflegepersonal, dass sie zunehmend Deeskalationskompetenzen abgegeben haben.“

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Als bedenklich, wenn nicht sogar menschenrechtswidrig, erachtet Heinz Patzelt, Chef von Amnesty International Österreich, die Anforderungen auf der forensischen Psychiatrie des Otto-Wagner-Spitals. Dort sollen Security-Kräfte u. a. die Hofgänge von Strafgefangenen bewachen. „Das ist eine Kompetenz der Justizwache, keinesfalls die eines privaten Unternehmens.“
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Laut Ausschreibung sollen die Wachleute außerdem bei der „Durchsuchung von Patienten auf verbotene oder gefährliche Gegenstände“ assistieren und „Unterstützung bei der Verbringung von erregten Personen in einen geschlossenen Bereich“ leisten (siehe Faksimile). Für Patzelt ein Skandal: „Securitys sind zur Bewachung und zum Schutz da. Die rote Linie wird aber überschritten, sobald sie Hand anlegen.“ Im Prinzip könne ein Patient dann wegen Körperverletzung, Nötigung oder Freiheitsentziehung Anzeige erstatten.

Schauen, nicht anfassen

Die Menschenrechtskommission hat bei Kontrollen im Vorjahr festgestellt, dass Securitys auch pflegerisch tätig geworden sind – so wurden u. a. Patienten zur Dusche begleitet, Randalierer fixiert und bei der Medikamentengabe mitgewirkt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat im September 2014 entschieden, dass das rechtswidrig ist. Jeglicher Körperkontakt mit Patienten sei dem medizinischen Personal vorbehalten, heißt es im Urteil.

Langsam, sagt Rappert, habe sich diese Rechtsansicht herumgesprochen. Doch gerade die aktuelle Ausschreibung des KAV lasse Zweifel aufkommen, ob in der Praxis der „Nothilfe-Paragraph“ nicht ausgereizt und das Gebot „schauen, aber nicht anfassen“ tatsächlich eingehalten wird.

Auf KURIER-Anfrage betont der KAV die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. Gegen die Ausschreibung wurde eine einstweilige Verfügung erlassen; ein Nachprüfungsverfahren läuft.