Chronik/Wien

Sonnige Aussichten im Schanigarten

Warme Wintertage wie der gestrige Montag – in der Wiener Innenstadt wurden 20 Grad gemessen – treffen Manfred Stallmajer vom Café Drechsler besonders hart: Während am Naschmarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite kaum ein freier Platz vor den Lokalen zu ergattern ist, darf er keinen Tisch ins Freie stellen. Denn die Schanigartensaison beginnt in Wien frühestens am 1. März. Lediglich Lokale im Marktgebiet sind davon ausgenommen.

Seit Jahren appelliert die Wirtschaftskammer an die Stadt Wien die Wintersperre zu lockern. Die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou stand dem Thema in den vergangenen Jahren zwar offen gegenüber. Geändert hat sich aber nichts.

Mit einem Flashmob vor der Albertina machte die Junge Wirtschaft Wien Montagmorgen einmal mehr auf den Missstand aufmerksam. Mit Kaffee und Kuchen ließen sich die Vertreter in einem Pop-Up-Schanigarten nieder. Jürgen Tarbauer, Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien: "Die Regelung ist einfach nicht mehr zeitgemäß."

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So sieht das auch Tourismus-Obmann Markus Grießler: "Gäste haben kein Verständnis dafür, dass man in einer Weltstadt wie Wien den Kaffee nicht im Freien genießen kann, wenn das Wetter entsprechend schön ist."

Peter Dobcak, Gastronomie-Obmann in der Wirtschaftskammer Wien, ergänzt: "Es kann nicht sein, dass wieder eine Forderung im Rathaus hängen bleibt."

Flexible Lösungen

Doch die Forderung könnte nun doch erhört werden. Im Büro der zuständigen Stadträtin Renate Brauner (SPÖ) verweist man jedenfalls auf das aktuelle Regierungsübereinkommen. Darin wurde festgehalten, dass die Stadt flexiblere Lösungen für die Schanigärten anstrebt. Und das wolle man für die nächste Saison auch umsetzen – unter Einbeziehung der Bezirke.

Doch nicht alle unterstützen den Vorschlag. Markus Figl (ÖVP) hat als Bezirksvorsteher der Inneren Stadt rund 15 Prozent der Wiener Schanigärten auf knapp drei Quadratkilometern vereint: "Wenn es nach mir geht, wird es keine ganzjährigen Schanigärten in der Inneren Stadt geben. Ganzjahres-Freiluftschenken mit eingehausten Wintergärten plus Heizschwammerln – das nimmt schnell Auswüchse an, denen ich sehr kritisch gegenüber stehe." Die Schanigärten stehen auf öffentlichem Raum, der günstig hergegeben werde. Damit müsse man verantwortungsvoll umgehen.

Kompromissbereit

Mariahilfs Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) zeigt sich hingegen kompromissbereit: "Auf dem Gehsteig oder in der Fußgängerzone kann man sich das vielleicht überlegen." Aber nur, wenn man die Tische und Stühle schnell auf- und abbauen könne.

Neubaus Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) kann sich Sitzgelegenheiten im Freien in den Wintermonaten prinzipiell schon vorstellen: "Allerdings nicht in derselben Form wie im Sommer, sondern ein, zwei Tische an der Häuserfront. Wir haben im Winter ja auch den Christkindlmarkt am Spittelberg oder Maronibrater. "

Über so eine Lösung wäre Gastronomie-Obmann Dobcak bereits mehr als froh. Natürlich sei ihm bewusst, dass nur eine abgespeckte Version des Schanigartens im Winter Sinn mache. Natürlich würde man die Tische am Abend wegräumen, um die Schneeräumung nicht zu behindern.

Sollte die flexible Regelung bis zur kommenden Saison nicht ausverhandelt sein, wird das Thema wohl spätestens mit Inkrafttreten des absoluten Rauchverbots in zwei Jahren schlagend. Denn dann müssen Raucher für den Zigarettengenuss bei jedem Wetter vor die Tür.

Temperaturrekord: 23,2 Grad im Februar

Wird der Februar den Wirten künftig jedes Jahr Gastgarten-Wetter servieren?

Der KURIER sprach mit dem Meteorologen Josef Lukas vom Wetterdienst Ubimet über Wärmerekorde und die Überraschungen des Frühjahrs.

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KURIER: Die Wirte möchten ihre Schanigärten gerne früher öffnen. Beschert uns das wärmere Wetter eine Verlängerung der Gastgarten-Saison?

Josef Lukas: Die Temperaturen wurden in den vergangenen Jahren milder. Der Frühling beginnt früher – er hat aber nach wie vor Überraschungspotenzial. Gerade in der sogenannten Übergangsjahreszeit kann es noch sehr kalt werden. Als Wirt kann man sich nicht darauf verlassen, dass man jeden Februar draußen sitzen kann.

Aber der Februar war doch teilweise ungewöhnlich warm?

Am Montag hatten wir sogar einen neuen Rekord: Am Nachmittag wurden in Pottschach-Ternitz in Niederösterreich 23,2 Grad gemessen. Damit wurde der Rekord aus dem Jahr 1990 in Altenmarkt/Triesting (NÖ, Anm.) erreicht. Seit 26 Jahren war es im Februar nicht mehr so warm. Aber: Ab Mitte der Woche kühlt es wieder deutlich ab. Theoretisch könnte auch der März relativ kühl werden. Man kann als Wirt nicht fix damit rechnen, dass man im März schon den Schanigarten betreiben kann. Eine Durchschnittstemperatur sagt außerdem nur etwas über den Durchschnitt: Das kann bedeuten, dass es im Frühling in einem Monat zuerst richtig kalt, dann warm und die restliche Zeit wechselhaft ist. Die Temperatur ist im Schnitt dann zwar mild – aber keiner wäre draußen gesessen.

War dieser Winter nicht generell auffällig mild?

Die Temperaturen in den Bergen lagen sechs Grad über dem langjährigen Schnitt, in den Niederungen waren es im Dezember immerhin 3,5 Grad. Dieser Monat zählte daher zu den drei wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Andererseits hatten wir im Jänner in Klausen-Leopoldsdorf minus 22,9 Grad.

Schneit es immer seltener in Wien?

Der Eindruck entstand mitunter, da wir in Wien jetzt zwei schneearme Winter hintereinander hatten. Das zeigen die maximalen Schneehöhen: Im Dezember 2015 war diese null Zentimeter, im Februar 2016 ebenfalls. Auch im Jänner wurden nur sieben Zentimeter Schnee gemessen. Dennoch gab es auch in der jüngeren Vergangenheit schneereichere Winter: Im Jahr 2010 maßen wir 28 Zentimeter Schnee in Wien, 2005 und 2013 waren es je 30 Zentimeter.