Chronik/Wien

"Sind wichtiger IT-Standort in Europa"

Die Arbeitslosigkeit in Wien steigt, immer mehr Menschen suchen immer länger nach einem Job. Doch sieht es tatsächlich in allen Branchen düster aus? Um die Entwicklungen bis 2030 einschätzen zu können, gab die Stadt bei der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) eine Studie in Auftrag, die nun vorliegt. Der KURIER sprach mit Klemens Himpele, Leiter der zuständigen Magistratsabteilung 23, über Gewinner, Verlierer und den Wert von Bildung.

KURIER: Die Arbeitslosenzahlen steigen, eine Trendwende ist derzeit nicht in Sicht. Wie düster ist die Prognose der Studie?

Klemens Himpele: Seit Jahrzehnten wird uns erzählt, dass es immer weniger Arbeit geben wird. Es wurde gar behauptet, 47 Prozent der Arbeitsplätze seien gefährdet. Die Studie zeigt nun: Die Arbeit wird uns nicht ausgehen – sie wird sich jedoch deutlich verändern. Aber das gab es immer schon: Denken Sie an den Beruf des Automechanikers, der heute eher ein Mechatroniker ist. Und: In einigen Branchen rechnet die Studie sogar mit Beschäftigungszuwächsen.

Welche Branchen sind das?

Zu den Gewinnern zählen der Gesundheits- und Sozialbereich, außerdem Erziehung und Unterricht, Beherbergung und Gastronomie sowie Forschung und Entwicklung. Hervorzuheben ist in Wien der IT-Sektor (Informations- und Kommunikationstechnologie, Anm.): Diese Branche boomt seit einigen Jahren, und sie wird mit ziemlicher Sicherheit weiter wachsen. Wien zählt sogar zu den wichtigsten IT-Standorten Europas. Das wird in der Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen, denn ganz banal erklärt: Diese erfolgreichen Unternehmen brauchen oft nicht mehr als ein Zimmer und einen Laptop.

Was bieten diese erfolgreichen IT-Unternehmen an?

Das beginnt beim Klassiker, dass jedes Unternehmen jemanden braucht, der seine Computer wartet. Es umfasst beispielsweise aber auch Internet-Security, selbstfahrende Autos oder die Programmierung von Apps.

Laut der Studie könnte der Handel den stärksten Rückgang verzeichnen. Wie schätzen Sie die Zukunft des Handels ein?

Der Handel ist jene Branche, die am schwierigsten zu prognostizieren ist. Dass etwa aufgrund von Kassen, bei denen man Waren selbst scannt, keine Mitarbeiter mehr benötigt werden, fürchte ich nicht. Gerade in Wien haben viele Supermärkte nur ein oder zwei Kassen. Da wird es immer Mitarbeiter brauchen, die diese betreuen.

Aber eine größere Gefahr ist wohl die Konkurrenz online?

Genau deshalb ist die Entwicklung so schwer prognostizierbar. In Wien leben immer mehr Menschen, die immer mehr konsumieren – und sie werden auch nicht alles online kaufen. Man darf nicht vergessen, dass der Einkaufsbummel am Samstag auch ein Einkaufserlebnis ist. Service und Kundenbetreuung werden aber immer wichtiger werden. Und natürlich spielt der Online-Handel in Zukunft eine Rolle.

Sie sagten, dass viele Jobs nicht verloren gehen, sondern sich verändern. Könnte das nicht auch im Handel so sein?

Natürlich ist das möglich: Vielleicht wird künftig mehr im Internet bestellt, aber von den Läden geliefert. Das würde Jobs schaffen: im Lager, in der Logistik, in der Lieferung. Dieser Bereich, aber auch Tourismus oder Gastronomie sind Sektoren, in denen künftig auch niedrigqualifizierte Arbeitskräfte Jobs finden könnten.

Stichwort Qualifikation: Die Flüchtlinge konnten in der Studie noch nicht berücksichtigt werden. Wie kann man sie in den Arbeitsmarkt integrieren?

Das Wichtigste ist, sie zu qualifizieren, ihnen Deutschkurse und Ausbildung zu bieten. Es mag banal klingen, aber Qualifikation wird immer wichtiger. Ja, es ist eine Herausforderung – aber da müssen wir investieren.

Kann man einschätzen, wie hoch die Kosten dafür sein werden?

Das kann man noch nicht beziffern. Aber die, die zu uns kommen, sind zumeist motiviert und wollen etwas tun. Es käme uns teurer, nicht in sie zu investieren, als eben Geld in Bildung zu stecken. Jeder Euro in Ausbildung ist gut investiert. Das gilt übrigens genauso für Österreicher.

Das heißt, das Um und Auf ist auch in Zukunft Bildung?

Absolut. In Wien haben bereits mehr als 50 Prozent der Beschäftigten Matura oder eine höhere Qualifikation. Wie etwa der Boom im IT-Bereich zeigt, ist Wien gut in Richtung wissensintensive Dienstleistung unterwegs. Wien hat auch den Vorteil, dass es hier 190.000 Studenten gibt – und somit mehr als in jeder anderen deutschsprachigen Stadt. Es wird auch in Zukunft viele Jobs und Chancen geben – essenziell ist die Qualifikation.