Chronik/Wien

Schussopfer muss auf der Bahre vor Gericht

Die Entscheidung über eine Anklage gegen jenen Polizisten, der im März auf eine in Panik tobende Frau neun Schüsse abge­feuert hat, lässt weiter auf sich warten. Aber mit dem Prozess gegen die lebensgefährlich Verletzte hat es die Justiz besonders eilig.

Nächste Woche wird die von Schüssen in Oberkörper, Arme und Beine getroffene Kerstin A. auf einer Bahre in den Verhandlungssaal geschoben. Ein Schöffensenat soll über den Antrag der Staats­anwaltschaft entscheiden, die an einer Angstpsychose Leidende in eine Anstalt einzuweisen.

Möglicherweise von einem Nachbarn beunruhigt, hatte die 37-Jährige am 7. März die Feuerwehr alarmiert und sich in ihrem Badezimmer verbarrikadiert. Als die Polizei fünf Mann hoch in die Wohnung in der Goldschlagstraße eindrang, attackierte die Verwirrte einen Beamten mit zwei Messern. Der Kollege des leicht verletzten Polizisten streckte die Angreiferin nieder und gab noch zwei Schüsse ab, als sie laut Gutachten bereits wehrlos "rücklings" mit abgewinkelten Beinen auf dem Boden lag.

Notwehr?

Ob der Beamte in Notwehr gehandelt hat oder sich wegen der Schüsse vor Gericht verantworten muss, ist noch offen: Ein Vorhabensbericht der Anklagebehörde liegt zur Überprüfung bei der Oberstaatsanwaltschaft.

Die Angeschossene befindet sich noch in stationärer Behandlung. Auf der Bahre zum Prozess, geht das? Dem Vorsitzenden Thomas Kreuter wurde signalisiert, dass sich die Patientin für kurze Zeit aufsetzen könne. "Und wer kurz sitzen kann, kann vielleicht auch ein paar Schritte gehen", erklärte der Richter dem KURIER. Für ihre Einvernahme müsste die Zeit jedenfalls ausreichen. Die restliche Verhandlung könne sie ja dann auch im Liegen verfolgen.

Heinz Patzelt von Amnesty International würde sich wünschen, "dass für die Frau nicht schlechtere Maßstäbe als für prominente, angeblich kranke, Strafverfolgte gelten" und denkt dabei vielleicht an Helmut Elsner.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund