Scheinanmeldung für den Schulplatz
Von Julia Schrenk
Anna S. ist Mutter einer siebenjährigen Tochter und wohnt in der Theobaldgasse im sechsten Bezirk. Die nächst gelegene Volksschule ist jene in der Stiftgasse im siebenten Bezirk.
S. ging zum Tag der Offenen Tür, meldete ihre Tochter dort an, die Direktorin sagte ihr informell zu: "Wer in der Theobaldgasse wohnt, bekommt einen Platz." S. organisierte einen Hortplatz für ihr Kind – doch dann flatterte ihr ein eingeschriebener Brief des Stadtschulrats ins Haus. "Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass es für Ihr Kind keinen Platz in der Volksschule Stiftgasse gibt."
Kinder ummelden
So geht es aktuell vielen Eltern in den Wiener Innenstadtbezirken Mariahilf, Neubau, Josefstadt und Alsergrund: Denn dort gibt es zwar noch fast genauso viele Kinder wie vor zehn Jahren. Aber einen Schulplatz zu bekommen, wird immer schwieriger. Warum? "Ich kann Ihnen auf Anhieb vier oder fünf Namen sagen, wo Eltern, die mit ihren Kindern im 15. oder 16. Bezirk wohnen, das Kind im siebenten oder achten Bezirk gemeldet haben." Eine andere Mutter berichtet dem KURIER: "Erst vergangene Woche ist einer Bekannten aus der Josefstadt herausgerutscht, dass auch sie mit so einer Bitte einer Freundin (ihr Kind pro forma im achten Bezirk anmelden zu dürfen, Anm.) konfrontiert war". Sie habe das abgelehnt.
Auch die Direktorin einer Volksschule in einem der genannten Bezirke berichtet von Scheinmeldungen: "Es wird mir schon zugetragen, dass Eltern die zum Beispiel im 16. Bezirk gewohnt haben, plötzlich im achten wohnen." Das resultiere daraus, dass Volksschulen alle Kinder, die angemeldet werden, auch registrieren müssen. Das seien oft 120 Schüler, auch wenn nur für 60 Platz ist. "Die Kinder werden dann in eine andere Schule zugewiesen und viele Eltern versuchen verzweifelt, ihr Kind doch noch in der Wunsch-Schule unterzubringen."
Mit dem Thema konfrontiert wurden auch die Bezirksvorsteher des siebenten und achten Bezirks: "Der Druck vieler Eltern hinsichtlich eines Schulplatzes ist mittlerweile offenbar so groß, dass sich einige mit Mitteln helfen, die nicht in Ordnung sind", sagt Veronika Mickel-Göttfert, Bezirksvorsteherin der Josefstadt (ÖVP).
Im Stadtschulrat habe man vereinzelt von Scheinmeldungen gehört; nachprüfen könne man dieser aber nicht (siehe Bericht unten).
Wien wächst
Die Scheinmeldungen verschärfen eine Situation, die ohnehin schon komplex ist. Denn Wien wächst, besonders die Innenstadt-Bezirke. Immer mehr Eltern bleiben mit ihren Kindern im zentrumsnahen Bereich und ziehen nicht mehr an die Peripherie. "Diesen Trend spüren wir verstärkt ", sagt Markus Rumelhart, SPÖ-Bezirksvorsteher von Mariahilf. Noch vor zehn Jahren habe man im Bezirk eine Volksschule schließen müssen, mittlerweile habe man wieder eine neue Ganztagsschule eröffnet.
Laut der Bevölkerungsprognose der MA23 wird es in den Bezirken sechs bis neun bis 2023 bis zu einem Drittel mehr schulpflichtige Kinder geben als jetzt. Aktuell leben in Neubau 816 und der Josefstadt 654 Sechs- bis Neunjährige. 2023 werden es laut Bevölkerungsprognose 1288 in Neubau und 949 in der Josefstadt sein. Schon in vier Jahren werden im achten Bezirk 40 Volksschüler mehr als jetzt wohnen. "Die Stadt braucht eine zentrale Strategie", sagt Bezirkschefin Mickel-Göttfert.
In Wien-Alsergrund leben heuer 4000 Personen mehr als vor einem Jahr. "Wir brauchen in drei bis fünf Jahren eine Schule mehr", sagt Bezirksvorsteherin Martina Malyar (SPÖ). Die werde ab spätestens 2019 auch gebaut, und zwar auf den Althangründen beim Franz-Josefs-Bahnhof. Dass in manchen Bezirken schon jetzt Eltern mit ihren Kindern in Schulen anderer Bezirke auspendeln müssten, sei manchmal auch "hausgemacht", sagt Malyar. "Eltern wollen oft eine ganz bestimmte Schule."
Im siebenten Bezirk hätten bisher "immer alle Kinder einen Platz gefunden, aber wir würden die eine oder andere Klasse mehr brauchen", sagt Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne). "Die Schulverwaltung ist gefordert, hier mehr zu tun."
Anna S. bekam nach ihrer Absage übrigens einen Platz in der Volksschule Neustiftgasse angeboten. "Von der Theobaldgasse gibt es dorthin aber keine adäquate Öffi-Anbindung", sagt die Mutter. "Ganz abgesehen davon, dass ich keinen Hortplatz hatte."
Nur weil die Ganztagsschule in der Zieglergasse um eine Klasse erweitert wurde, fand S. schließlich einen Schulplatz für ihre Tochter. Mit dieser Schule ist S. jetzt dafür sehr zufrieden.
Stadtschulrat: "Es gibt noch freie Schulplätze"
Aus dem Büro des Wiener Stadtschulrats-präsidenten Jürgen Czernohorszky heißt es, dass die Schulplätze zwar „natürlich knapper“ werden, aber immer noch alle Kinder einen Schulplatz bekommen hätten. In der Josefstadt etwa gebe es aktuell sogar noch freie Plätze. „Das wichtigste Ziel für uns ist, allen Kindern in Wien einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Das gelingt uns auch, allerdings geht sich nicht immer ein Platz in der Wunschschule aus“, sagt Czernohorszky.
Denn welches Kind in welcher Schule einen Platz bekommt, hängt von der Nähe zum Wohnort ab und ob etwa Geschwister die gewünschte Schule besuchen.
Von den Scheinmeldungen habe man auch im Stadtschulrat gehört: „Die mag es geben, aber wir können sie nicht überprüfen“, heißt es aus dem Büro des Präsidenten. Dass Eltern ihre Kinder kurz vor der Anmeldung in der Schule im Schul-Bezirk (etwa bei Freunden oder am Arbeitsplatz) melden und kurz nach der Anmeldung wieder in den Wohn-Bezirk ummelden – sei „kein massenhaftes Phänomen.“
Dass dabei nur der Meldezettel des Kindes vorgelegt werden muss, gehe in Ordnung: „Die Mobilität in der Stadt ist wichtig“, sagt eine Sprecherin. Nach Scheidungen oder Umzügen sollen Kinder ja ihren Schulplatz behalten können.
Platz wird knapp. Aus dem Büro des Wiener Stadtschulrats-präsidenten Jürgen Czernohorszky heißt es, dass die Schulplätze zwar „natürlich knapper“ werden, aber immer noch alle Kinder einen Schulplatz bekommen hätten. In der Josefstadt etwa gebe es aktuell sogar noch freie Plätze. „Das wichtigste Ziel für uns ist, allen Kindern in Wien einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Das gelingt uns auch, allerdings geht sich nicht immer ein Platz in der Wunschschule aus“, sagt Czernohorszky. Denn welches Kind in welcher Schule einen Platz bekommt, hängt von der Nähe zum Wohnort ab und ob etwa Geschwister die gewünschte Schule besuchen. Von den Scheinmeldungen habe man auch im Stadtschulrat gehört: „Die mag es geben, aber wir können sie nicht überprüfen“, heißt es aus dem Büro des Präsidenten. Dass Eltern ihre Kinder kurz vor der Anmeldung in der Schule im Schul-Bezirk (etwa bei Freunden oder am Arbeitsplatz) melden und kurz nach der Anmeldung wieder in den Wohn-Bezirk ummelden – sei „kein massenhaftes Phänomen.“ Dass dabei nur der Meldezettel des Kindes vorgelegt werden muss, gehe in Ordnung: „Die Mobilität in der Stadt ist wichtig“, sagt eine Sprecherin. Nach Scheidungen oder Umzügen sollen Kinder ja ihren Schulplatz behalten können.