Chronik/Wien

Russischer Spion in Wien festgenommen: 39-Jähriger offenbar Diplomatensohn

39 Jahre alt. Griechischer Staatsbürger mit russischer Abstammung. Sohn eines Diplomaten. Und: offenbar ein Spion, der jahrelang im Auftrag Russlands in Österreich im Einsatz stand. 

Dass Russland, besonders in Wien, ein dichtes Netz an Spionen im Einsatz hat, ist bekannt. Einen Einblick in dieses Konstrukt gewährt nun der Fall eines 39-Jährigen, der am Montag bekannt wurde. Und er verdeutlicht, wie ernst, die heimischen Sicherheitsbehörden, unter Federführung der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die Bedrohung aus Russland nehmen.

Zwei Cobra-Teams stürmten Wohnung

Im Fall des 39-jährigen mutmaßlichen Spions kam es bereits am 24. März in Wien-Donaustadt zu einer Stürmung der Wohnung des Verdächtigen. Gleich zwei Einsatzteams der Anti-Terroreinheit Cobra sollen aufgrund der Gefährlichkeit des Mannes im Einsatz gestanden sein. 

Vater einst Diplomat und Spion

Dem griechischen Staatsbürger mit russischer Abstammung wird vorgeworfen, seit mehreren Jahren Spionage für einen russischen Geheimdienst zum Nachteil Österreichs betrieben zu haben. Und er war offenbar nicht der einzige. Denn auch sein Vater, ein einstiger Diplomat, der während seiner aktiven Dienstzeit in Österreich und Deutschland stationiert gewesen sein soll, soll bereits als Spion für Russland gearbeitet haben.

Ermittlungen der DSN mit ausländischen Partnern und in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Wien sollen offenbar zeigen, dass der 39-Jährige zudem in Russland eine militärische Spezialausbildung erhalten hat. Zudem war er in regem Austausch mit Diplomaten und anderen Spionen aus verschiedenen Ländern. Doch dem nicht genug: Kurz bevor und während des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, befand sich der Verdächtige noch selbst in Moskau. 

65 Reisen ins Ausland

Nicht seine einzige Reisetätigkeit. Penible Ermittlungsergebnisse des österreichischen Geheimdienstes sollen folgendes belegen: Von 2018 bis Anfang 2022 soll der 39-Jährige insgesamt 65 Reisen ins Ausland sowie nach Russland, Belarus, die Türkei und Georgien unternommen haben. Auffällig: Obwohl er in Österreich nur geringe Sozialleistungen bezog, erwarb er gleich mehrere Liegenschaften in Wien, Russland und in Griechenland.

Was wurde ausspioniert?

Welche Geheimisse der Verdächtige im Auftrag Russlands ausspioniert hat? In erster Linie dürfte er als eine Art Stimmungsbarometer aus Österreich gedient haben. Er soll Informationen zur außenpolitischen, gesamtgesellschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Lage beschafft, und diese an Russland weitergegeben haben. So dürfte auch die Reise nach Moskau kurz vor Kriegsbeginn kein Zufall, sondern ein bewusster Informationsaustausch der gewonnen Erkenntnisse aus Österreich gewesen sein.

Verstecke zur Nachrichtenübergabe

Doch nicht nur auf Reisen soll der Verdächtige Informationen ausgetauscht haben. Auch in Wien wurde dazu ein eigenes System mit Geheimverstecken entwickelt, in denen Nachrichten deponiert wurden, um Informationen weiterzugeben. Die Übergabeorte wurden durch meist unscheinbare Markierungen für den Empfänger sichtbar. Wie die Ermittlungen zeigen, soll auch stets diplomatisches Personal der russischen Föderation bei diesen Übergaben zeitlich und örtlich anwesend gewesen sein. 

Detektor zum Erkennen versteckter Kameras

Bei verschiedenen Hausdurchsuchungen sollen bei dem Verdächtigen unter anderem ein Signaldetektor - der Geräte zum Abhören und versteckte Kameras erkennen kann, sowie ein Splitterschutzanzug entdeckt worden sein. Des weiteren wurden Mobiltelefone, Laptops und Tablets sichergestellt, auf denen in Summe zehn Millionen Dateien ausgewertet wurden.

Der 39-Jährige befindet sich nach der Festnahme mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 

Weist Österreich weitere russische Diplomaten aus?

Fraglich bleibt, ob nach dem Bekanntwerden des Spionagefalles und dem dabei einmal mehr aufgezeigten Naheverhältnis von russischen Diplomaten eine neuerliche Ausweisung dieser im Raum steht. Bereits im April hatte Österreich - nach langem Zögern - den diplomatischen Status von drei Angehörigen der russischen Botschaft in Wien und einem Angehörigen des Generalkonsulats in Salzburg aufgehoben. Bereits wurden mögliche Geheimdiensttätigkeiten der russischen Diplomaten als Grund genannt.