Chronik/Wien

Runder Tisch zu Ärzte-Wartezeiten

Der KURIER-Bericht über die urlaubs- und grippebedingten enorm langen Wartezeiten bei Allgemeinmedizinern hat erste politische Konsequenzen: Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein ( FPÖ) spricht von einem "Zustand, der im Interesse der Patienten dringend zu verbessern ist".

Deshalb lädt sie Ärztekammer, Hauptverband und Apothekerkammer zu einem Gespräch ein, bei dem "anhand von Zahlen und Fakten die Situation dargestellt und bedarfsgerechte Lösungen diskutiert und auf Schiene gebracht werden sollen".

Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart begrüßt die Initiative der Ministerin, stellt aber gleichzeitig klar: "Wir lassen nicht zu, dieses Problem den Ärzten in die Schuhe zu schieben." Laut seinen Angaben würden insgesamt über alle Fächer verteilt 1300 Kassenarztpraxen in Österreich fehlen – gerechnet vom Stand des Jahres 2000. Dazu stehe gerade in den kommenden Jahren eine Pensionierungswelle bei den Hausärzten bevor.

Patientenanwalt Gerald Bachinger, der die mangelnde Versorgung stark kritisiert hatte, kann dem Gipfel ebenfalls einiges abgewinnen. Mittelfristig brauche es aber innovative Ansätze: So fordert er dass, Pflegekräfte in Ordinationen Patienten begutachten und nur jene zum Arzt schicken, bei denen es notwendig ist. Auch die Telemedizin gehöre gestärkt und ein Terminmanagement über die Gesundheitshotline 1450 etabliert.

Das Problem betrifft freilich bei weitem nicht nur Allgemeinmediziner, sondern auch Kinderärzte, zumal von der diesjährigen Grippewelle besonders viele Kinder betroffen sind, wie Experten betonen.

"Am Nachmittag, wenn wir die akuten Fälle versorgen, kommt es in meiner Ordination derzeit zu Wartezeiten von ein bis zwei Stunden. Das ist in Grippezeiten so", sagt Rudolf Schmitzberger, Kinderarzt in Margareten und Ärztekammer-Funktionär. Er kritisiert, dass es in Wien zu wenige Kinderärzte mit Kassenvertrag gebe. Derzeit sind es laut Praxisplan 80, davon sind 15 aktuell auf Urlaub. Demgegenüber stehen bereits 114 Kinderärzte ohne Kassen. Viele sozial Schwächere können sich dieses privatmedizinische Angebot nicht leisten, sie weichen lieber auf die Ambulanzen aus. Hinzu kommt: "Aktuell sind neun bestehende Kassenstellen nicht besetzt", sagt Schmitzberger.

Ein Befund, den Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz teilt: "Vor allem in den Bezirken Favoriten und Simmering gibt es zu wenige Kinder-Kassenärzte. Wir haben immer wieder Beschwerden, dass Kinder über Monate hinweg keinen Termin bekommen."

In Niederösterreich ist die Situation ähnlich. „Am Montag habe ich 123 Kinder in acht bis neun Ordinationsstunden betreut“, sagt Dietmar Baumgartner, Kinderarzt in Wiener Neustadt und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer NÖ. „Es ist schon arbeiten am Limit.“ Zwei Kollegen in Wiener Neustadt und einer in Neunkirchen seien auf Urlaub, er halte die Stellung – der Schlüssel ist von der Krankenkasse festgelegt. Derzeit gibt es NÖ 124 Kinderärzte. Nur ein kleiner Teil sind Kassenärzte. Aktuell gibt es 42 Kassenstellen, fünf sind derzeit ausgeschrieben. 14 Fachärzte sind diese Woche selbst auf Urlaub.

Beruf unattraktiv

Laut Pilz sei der Beruf aufgrund der relativ geringen Honorierung für viele Jungmediziner unattraktiv. Auch Baumgartner das Problem eher bei der geringen Vergütung. „Viele sind auch nicht mehr bereit 80 bis 110 Kinder pro Tag zu betreuen“, sagt er. Bachinger ergänzt: „Es findet sich keiner, der die Planstellen besetzt. Da muss man andenken, ob Strukturen ausreichen, dass der Job wieder gerne gemacht wird.“ Stichwort Work-Life-Balance.

Pilz fordert hier Verbesserungen. Wenn es nach der Patientenanwältin geht, sollten zudem Kinderärzte genauso wie Allgemeinmediziner in den neuen Primärversorgungszentren arbeiten dürfen.

Für die Bundeshauptstadt erwartet sich Schmitzberger demnächst Verbesserungen: "Derzeit arbeiten wir mit den zuständigen Stellen daran, dass der Beruf Kinderarzt wieder attraktiver wird."