Rennbahnweg: Ein Problemkind wurde erwachsen
Von Johanna Kreid
Über den Gemeindebau am Rennbahnweg hörte man früher allerhand: Hier herrsche ein rauer Umgangston, Armut und Kriminalität. Er zählte, vorsichtig formuliert, nicht zu den nobelsten Wohnadressen Wiens. Dieser Tage wird ein Teil der Wohnanlage 40 Jahre alt – und mittlerweile hat sich das Image gewandelt. Der KURIER traf Bewohner und sprach mit ihnen über Vorurteile und Lebensqualität.
Am Rennbahnweg im 22. Bezirk reiht sich Plattenbau an Plattenbau, einige sind bis zu 16 Stock hoch. Sie wurden zwischen 1973 und 1977 errichtet. Es gibt 59 Stiegen, die zu 2400 Wohnungen führen. Beim ersten Besuch verliert man leicht die Orientierung. 8000 Menschen leben in der Siedlung – und einer davon ist Kurt Schuh. Er wohnt seit mehr als 40 Jahren hier – und das sehr gerne.
"Ich will das schlechte Image wegbringen", sagt er. "Hat man früher gesagt, man wohnt am Rennbahnweg, waren die Leute schockiert." Heute passiere das seltener. "Und falls einer so reagiert, sage ich, er soll selbst herkommen und schauen, wie schön und sauber wir es haben." Tatsächlich sind die Wiesen in den Innenhöfen gemäht und gepflegt, auf den Spielplätzen tollen Kinder in der Sonne herum. Die Lebensqualität sei hoch, sagt Schuh. "Eigentlich fehlt uns nur ein gutes Wirtshaus."
Weniger Störenfriede
Das Leben am Rennbahnweg sei heute viel besser als früher, erzählt Fredl. "Sicher, ein paar anerkannte Volltrotteln wohnen immer noch hier." Aber es gebe bei Weitem nicht mehr so viele Störenfriede wie früher. "90 Prozent der Leute sind leiwand und in Ordnung."
An einer Ecke steht die Pensionistin Renate, auch sie lebt seit 40 Jahren hier. "Es gibt halt jetzt sehr viele Ausländer. Die sind leider oft zu laut", sagt sie. "Aber eigentlich", fügt sie hinzu, "geht es uns gut. Uns fehlt nix."
Auch Brigitte lebt seit 42 Jahren hier, sie liebt ihre Wohnung mit Balkon im 5. Stock. Wegen des schlechten Rufs habe sie früher nicht gesagt, dass sie am Rennbahnweg wohne. "Dabei ist das schlechte Image ein Blödsinn. Ich und meine Freundinnen haben da unsere Kinder großgezogen. Alle haben studiert, und aus allen ist etwas geworden."
Ansprechpartner
Was also hat sich verändert? "Ich weiß, was der Rennbahnweg für einen Ruf hatte", sagt Ernst Nevrivy, SPÖ-Bezirksvorsteher des 22. Bezirks. "Aber das Image hat sich verbessert." Geholfen habe die Eröffnung des Büros der Wohnpartner am Rennbahnweg vor sieben Jahren: Hier arbeitet Snjezana Calija, die für die Sorgen der Bewohner ein offenes Ohr hat. "Wichtig ist, dass die Leute miteinander zu reden beginnen. Dann gehen sie respektvoller miteinander um."
Mitarbeiter ihres Büros hätten schon viele Streitigkeiten schlichten können: "Eine ältere Dame hat sich über die lauten Kinder der philippinischen Nachbarn beklagt. Sie hat außerdem kritisiert, dass die Kinder nicht deutsch konnten", erzählt Calija. Man habe zwischen den Nachbarn vermittelt: "Die Dame hat den Kindern beim Deutschlernen geholfen – und die Kinder sagen seitdem Oma zu ihr." Deshalb betont Calija: "Ich lass’ mir meinen Rennbahnweg nicht schlechtreden. Vieles, was man gehört hat, stimmte einfach nicht."
Unter den Bewohnern des Rennbahnwegs kursiert übrigens eine Legende: Ein Bewohner habe in den 1980er-Jahren auf seinem Balkon ein Pferd gehalten. Manche sagen auch, es sein ein Pony oder eine Ziege gewesen. "Man redet darüber, aber ich hab’ es nicht gesehen", sagt Kurt Schuh. Da meldet sich Müllsammler Fredl zu Wort: "Sicher, das stimmt, das war drüben bei der 13er-Stiege." Ein Pony und sogar zwei Ziegen habe ein Mann in seiner Wohnung gehalten.
Nicht alles, was man hört, stimmt also. Aber manches – vielleicht – doch.