Chronik/Wien

Gestaffelte Parktarife im neuen Jahr

KURIER: Frau Vizebürgermeisterin, sollte sich die Stadt nebst den Olympischen Spielen auch um die erste bemannte Marsmission bemühen?

Maria Vassilakou: Die Austragung Olympias ist alles andere als abwegig. Nachdem die Stadt historisch ein eher gespaltenes Verhältnis zu Großveranstaltungen hat, ist die Befragung sinnvoll. Ich werde für Olympia stimmen und mich bei Zustimmung für grüne Spiele stark machen.

Die ÖVP äzt, dass die Frage nach der Marsmission deshalb nicht gestellt wird, weil es bereits vier No-na-Fragen gibt.
Ich sehe keine No-na-Fragen. Oder seit wann ist die ÖVP gegen Privatisierungen städtischer Betriebe und für Kurzparkzonen in Wien?

Gerade diese Fragestellung ist tendenziös: Sollen Wiens „kommunale Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden“.
Bei dieser Fragestellung kommt sicher eine klare Haltung zum Ausdruck.

Eine Volksbefragung sollte objektiv formuliert werden.
Die Haltung kommt zum Ausdruck – ob es ideal ist, sei dahingestellt. Ich stehe dazu.

Bei der Befragung 2010 sprachen die Grünen noch von einer Verhöhnung der direkten Demokratie. Jetzt nicht mehr?

2010 fand die Befragung kurz vor der Wien-Wahl als SPÖ-Wahlkampf-Gag statt. Dieses Mal geschieht dies zur Halbzeit von Rot-Grün und die Themen sind wichtig. 2010 gab die SPÖ auch vor, die Opposition einbinden zu wollen. Passiert ist das nicht.

Die Opposition wurde auch dieses Mal nicht eingebunden.
Wir haben es aber auch nicht vorgegaukelt. Ich halte es für ein Ding der Unmöglichkeit, dass sich die vier Parteien auf eine Formulierung einigen – etwa zum Pickerl.

Nicht einbinden ist okay solange man nichts Gegenteiliges behauptet?
Der Punkt ist: Man sollte nicht so tun, als ob. Das hat nur Konflikte zur Folge

Rot-Grün fragt nun, ob erneuerbare Energieträger gefördert werden sollen. Mit Verlaub: Wenn sich die Grünen nicht sowieso dafür engagieren, müsste man fragen: Wieso ist die Partei überhaupt in der Regierung?
Nichts ist selbstverständlich. Hier geht’s um die Frage, ob die Stadt weitere Projekte forcieren soll, bei denen sich Bürger finanziell beteiligen können. Die ersten vier Bürgerkraftwerke werden mit Erfolg umgesetzt. Wien braucht aber mindestens 40 Solarkraftwerke.

Es hieß, dass eine Änderung der Stellplatzverordnung abgefragt wird – ob also weniger Garagen im privaten Bereich gebaut werden müssen.
Diese Frage kann Rot-Grün leicht lösen. Ich halte es für unklug, Millionen Euro buchstäblich unter der Erde zu vergraben. Die Garagen stehen oft leer, weil es alle vorziehen, ihr Auto kostenlos auf der Straße zu parken.

Warum werden die Garagen nicht für Pendler geöffnet? Die suchen bekanntlich Stellplätze.

Genau daran arbeiten wir. Für Details ist es aber noch zu früh.

Gibt es auch die Überlegung, eine Solarverpflichtung bei Neubauten einzuführen?
Das wäre mein Ziel. Jede neue Wohnanlage würde zu einem kleinen Kraftwerk werden. Es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis eine solche Verpflichtung von der EU verordnet wird.

Die SPÖ hält dagegen, dass dadurch die Mieten steigen würden.
Das stimmt nur bedingt. Schließlich würden die Energiekosten massiv sinken und wir würden die Wiener Wirtschaft nachhaltig fördern.

Zurück zur Befragung: Rot-Grün will wissen, wer künftig das letzte Wort beim Pickerl haben soll: Stadt oder Bezirke?
Ich plädiere für eine Wien-weite Lösung dort, wo Parkdruck herrscht. Ich bin überzeugt, dass in der Verkehrspolitik eine zentrale Steuerung und Finanzierung nötig ist, sonst kommen Flickwerk-Lösungen zu Stande.

Die Bezirke stehen also einer vernünftigen Form der Parkraumbewirtschaftung im Weg?
Die Entscheidung auf Bezirksebene ist objektiv gesehen ein Erschwernis für ein Gesamtkonzept. Die Volksbefragung kann hier Klarheit bringen. Keiner von uns wird sich gegen das Votum der Bürger stellen können.

Rot-Grün hat Experten beauftragt, ein Pickerl-Modell auszuarbeiten. Die Bürger sollten darüber abstimmen. Warum passiert das nun nicht?
Die Kommission schlug gestaffelte Kurzparktarife vor. Ich unterstütze das, aber Befragungen über Gebühren sind verfassungswidrig.

Umgesetzt werden die Vorschläge trotzdem?
Noch laufen Untersuchungen. Das Gesamtmodell inklusive gestaffelter Tarife wird aber 2013 umgesetzt. Davon gehe ich heute aus.

Im privaten Wohnbereich explodieren die Mieten. Wieso haben sich Rot-Grün dennoch nicht – wie geplant – auf eine Frage zum Thema Wohnen geeinigt?
Die Stadt hat mit dem sozialen Wohnbau viel erreicht, doch das Problem der Mietenspekulation im Altbau bleibt bestehen. Aber die SPÖ hat eine solche Frage abgelehnt. Das ist schade, weil wir von Wien aus den Druck auf den Bund erhöht hätten. Die Bundesregierung muss das Mietrecht reparieren.

Ein neues Verhältniswahlrecht, das die SPÖ nicht über Gebühr bevorzugt, ist noch ausständig.
Die Einigung ging sich heuer nicht mehr aus. Im neuen Jahr sollte es bald soweit sein. Klar harkt es noch bei der Frage der Mandatsverteilung. Wir suchen auch nach einer Lösung für die EU-Bürger, aber das ist aus jetziger Sicht verfassungsrechtlich sehr, sehr schwierig.

Es wird also keinen Wiener Entwurf geben, bei dem das Veto des Verfassungsgerichtshofs bewusst riskiert wird?
Man könnte es tun, aber stellt sich mir die Frage, was es bringen soll, wenn es von den Höchstrichtern erneut aufgehoben wird. Aber noch gibt es Gespräche. Entschieden ist noch nichts.

Ein Jahr geht zu Ende. Wie sieht Ihre Bilanz für 2012 aus?
Ein wildes Jahr. Aber viel erreicht. Eine halbe Million Wiener haben eine Öffi-Jahreskarte – 150.000 mehr als 2011. Dazu kommt die Ausweitung des Parkpickerls. Wir haben vier Bürgerkraftwerke ausfinanziert und feiern Rekorde beim Radverkehr. Auch 2013 wird spannend: Ein neues Pickerl-Modell, die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße und außerdem werden wir mit den Wienern gemeinsam, den neuen Stadtentwicklungsplan erarbeiten.

Ein Weihnachtsgeschenk der Verkehrsstadträtin erwarten sich die ÖVP-Bezirksvorsteher bei ihrem lange geplanten Besuch im Büro von Maria Vassilakou am Dienstagnachmittag ohnehin nicht, aber vielleicht Klarheit darüber, wie es in Zukunft mit dem Parkpickerl weitergehen könnte.

Karl Homole (Währing), Adolf Tiller (Döbling) und Heinz Gerstbach (Hietzing) liegt die Parkpickerl-Frage besonders im Magen. Das Anliegen: Wenn die Bezirke eine Gebührenpflicht verordnet bekommen sollen (siehe Interview), dann soll dies wenigstens unter Mitwirkung der Bevölkerung und in Abstimmung mit den Nachbarbezirken geschehen.
SPÖ als Gegner

Auch in der SPÖ wächst die Zahl der Gegner der grünen Politik: So wurde bei der Bezirksvertretungssitzung in Neubau gegen die Stimmen des Koalitionspartners ein Antrag angenommen, bei der Bürgerbefragung zur Mariahilfer Straße auch die Möglichkeit der Beibehaltung der derzeitigen Situation vorzusehen. Es ist darüber hinaus nicht der erste Mal, dass sich die SPÖ auf Bezirksebene vom grünen Koalitionspartner distanziert.

Kurz davor wurden in Liesing die Grünen von der SPÖ in der Entscheidung über die „Gartenstadt“ überstimmt. Das Prestigeprojekt Vassilakous liegt vorerst auf Eis.