Niemand will den Straßenstrich
Von Nihad Amara
Anton Wendrinsky ist im Stuwerviertel in Wien-Leopoldstadt kein Unbekannter. Vor fünf Jahren ging sein Gesicht durch die Medien, als er mit seinem Bürgerforum gegen den Straßenstrich auf die Barrikaden stieg. Wendrinsky, 52 Jahre alt, lange, ergraute Haare, kämpfte schon Ende der 80er-Jahre als Vorsitzender der "Vereinigten Grünen Studenten" für eine bessere Welt.
Heute engagiert er sich für ruhige Nächte in seiner Wohnung. "Mich stört Prostitution nicht, aber der Lärm durch die Freier", erzählt der Buchhalter.
Viel zu nörgeln hatte Wendrinsky in den vergangenen Monaten nicht. Das Geschäft mit der Liebe hat sich verlagert. Die Nächte sind seitdem ruhiger geworden.
Verlagerung
Bis jetzt zumindest. Das umstrittene Prostitutionsgesetz, das von Rot-Grün beschlossen wurde, könnte dies ändern. Der Straßenstrich soll vom Wohngebiet (Felber-, Linzer, Äußere Mariahilfer Straße) getrennt werden. Wohin die Liebesmeilen "siedeln", ist noch immer unklar. Bis auf eine vorweg genannte Ausnahme: "den Prater".
Der SPÖ-Vorschlag, der während der Präsentation des Gesetzes geäußert wurde, raubt Wendrinsky wieder seinen Schlaf. "Das wird es hier nicht geben", sagt er.
Glaubt man den Zahlen, so ist die Thematik überschaubar: In Wien gibt es zwar 2200 registrierte Sexarbeiterinnen und geschätzte 5000 illegale Prostituierte. Auf der Straße bieten jedoch nur 150 bis 200 Frauen ihre Dienste an. Das ist Theorie, in der Praxis polarisiert das Thema wie kein anderes.
Gleichgesinnte
Es ist kurz vor 22 Uhr, als Wendrinsky über die Perspektivstraße und die Südportalstraße schlendert. Hier ist Prostitution nicht mehr lange erlaubt, denn der Bau der Wirtschaftsuniversität wird das älteste Gewerbe der Welt verdrängen. "Da sollen noch mehr stehen?" Vorsorglich trommelte Wendrinsky schon einige Gleichgesinnte zusammen.
Offiziell ist die Verlagerung der Liebesmeilen in die Prater-Gegend nicht. "Es gab Gespräche, aber nicht über Standorte", beteuert Gerhard Kubik, SPÖ-Bezirksvorsteher in der Leopoldstadt. Er bringt andere Bezirke ins Spiel, und fordert "Kollegialität" ein.
Genau daran mangelt es derzeit. Die roten Bezirksvorsteher agieren derzeit nach dem Florianiprinzip: Bei uns nicht, dort schon. Die schwarzen Bezirkschefs nach der Devise: Das geht uns nichts an.
Kostprobe
Eine Kostprobe: Der "Auhof" war als Standort ebenfalls im Gespräch. "Es gibt keinen Beschluss, es gibt nix dazu, das sind Gerüchte", erklärt Robert Pschirer (SPÖ), stellvertretender Bezirksvorsteher in Penzing. Die offizielle Sprachregelung lautet: "Es gibt dazu noch keine Meinungsbildung." Ähnliches ließe sich mit dem Gürtel, einer ebenfalls kolportierten Location, fortsetzen.
Der Ball liegt laut Gesetz bei der Polizei, die künftig im Alleingang Erlaubniszonen erlassen kann. An den Bezirken, sagt Pschirer kämpferisch, komme man ohne Konsultationen aber nicht vorbei.
Abgelegen und sicher
Kubik bringt den "Hafen" in seinem Bezirk ins Spiel. "Der ist aber für Damen nicht sicher", schießt er nach.
Diese Unvereinbarkeit trifft für viele Gegenden zu. Sie sollen abseits des Wohngebietes liegen und sicher sein. "So ein Gebiet gibt es nicht", glaubt Christian Knappik, Betreiber einer Hotline und einer Homepage für Sexarbeiterinnen. "Die Stundenhotels in den Wohngegenden", sagt Knappik, "sind eine Errungenschaft, weil sie praktisch und sicher sind." Abseits der Wohngebiete gebe es keine Infrastruktur.
Wendrinsky versteht die Debatte nicht. "Ich bin gerne behilflich, ein Platzerl zu suchen. Das kann nicht so schwer sein." Ein Motto gilt für ihn nämlich auch nach seiner Studentenzeit: "Leben und leben lassen."
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