Chronik/Wien

Schutzlos in der Schutzzone

Grinzing und Sievering hat man schon verschandelt, jetzt ist Neustift am Walde dran“, sagt Ernst Huber traurig. Sein „Fuhrgassl-Huber“ zählt seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Wiener Heurigen. Im Garten mit prächtigem Blick auf die Weinberge lassen Touristen und Einheimische den Sommerabend bei einem Spritzer ausklingen.

Doch nur wenige Schritte stadtauswärts endet das Neustifter Heurigenidyll in einem trostlosen Schutthaufen: Nach einem Brand im Frühjahr wurde der Traditionsheurige Kainz vor wenigen Tagen abgerissen. Zwei weitere alte Nachbarhäuser fielen nur kurz davor der Spitzhacke zum Opfer. Sie alle standen in einer Schutzzone. Schutz ist in diesem Fall relativ: An ihrer Stelle dürften moderne Luxus-Wohnhäuser entstehen.

Promi-Protest

Anrainer wollen sich nicht mehr länger gefallen lassen, dass mittlerweile fast im Wochentakt ein Stück des traditionellen Wein-Dorfs verschwindet. Schützenhilfe bekommen sie von Prominenten: „Die alten Winzerhäuser gehören zur österreichischen Kultur“, sagt Maler Ernst Fuchs. „Dieses wunderschöne Ensemble darf nicht wegen der Gewinnsucht einiger Baulöwen zerstört werden“, fordert Ex-Finanzminister und Anrainer Hannes Androsch. Protestaktionen sind auch beim Neustifter Kirtag übernächste Woche geplant.

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Hinter dem Verschwinden der alten Häuser in der Schutzzone dürfte System strecken, argwöhnt die Initiative Denkmalschutz. Zumindest einige der Bauten würden von profitorientierten Eigentümern bewusst dem Verfall preisgegeben, bis sie letztlich abgerissen werden müssen. Markus Landerer von der Initiative ortet hier ein Versagen der Politik und der Behörden: „Der Eigentümer ist für den Erhalt der Gebäude zuständig. Die Baupolizei muss kontrollieren, ob das auch passiert. Doch sie tut nichts gegen das jahrelange Verfallenlassen.“

Im Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) weist man diese Vorwürfe zurück: „Die Baupolizei kann nur auf Basis der der Bauordnung Maßnahmen setzen. Und das tut sie auch.“ Etwa , wenn die Fassade zu bröckeln beginne oder – was speziell für Schutzzonen gilt – Umbauarbeiten vorgenommen werden, die mit dem Ortsbild nicht vereinbar seien. Einen Zwang zur generellen Erhaltung eines Hauses könne sie aber auf den Eigentümer nicht ausüben.

Aufgrund der aktuellen Abriss-Serie wird indes die Bezirkspolitik aktiv: Döblings Bezirkschef Adi Tiller (ÖVP) hat für 14. August eine Sondersitzung der Bezirksvertretung einberufen. „Wir wollen, dass künftig alles, was baulich in Neustift passiert, in geordneten Bahnen abläuft.“ Und bei Neubauten nach Abrissen sollen auch Bürgerinitiativen stärker eingebunden werden. „Wenn die Pläne nicht dem Ortscharakter entsprechen, stimmt der Bezirk nicht zu“, sagt Tiller.

Maler-Legende Ernst Fuchs bleibt freilich etwas skeptisch: „Viele sagen, dass die Politik oft etwas verspricht, das sie nicht einhält.“ Er hofft, dass es in diesem Fall nicht auch so ist.

Die Stadt Wien kann unabhängig vom Denkmalschutz Schutzzonen festlegen. Sie sollen die Erhaltung des charakteristischen Stadtbildes gewährleisten und vor Abbruch bzw. störenden Bausünden bewahren. Bei Neubauten ist darauf zu achten, dass sie sich in die Umgebung einfügen.

Bis heute wurden in der Bundeshauptstadt rund 130 Schutzzonen festgelegt, die ca. 10.000 Häuser umfassen. Das sind acht bis neun Prozent der gesamten Wiener Bausubstanz.