Chronik/Wien

Neonazi-Liedermacher hält Texte für "humoristisch"

Liebe Staatsorgane, schaut mir ruhig auf die Finger, schreibt der rechte Liedermacher "Rocker Rolf" auf seinem privaten Facebook-Account sinngemäß. Doch die Behörde hat nicht nur hingeschaut, sondern einen Informanten als Quelle in einem Wiener Neonazi-Zirkel "angezapft".

Am Donnerstag musste der Neonazi-Barde, 45, vor ein Staatsorgan treten – und zwar ein Geschworenengericht in Wien. Ihm, seiner Ehefrau, 44, und einer befreundeten Neonazi-Musikerin, 30, warf der Staatsanwalt vor, sich nationalsozialistisch wiederbetätigt zu haben (Strafrahmen: ein bis zehn Jahre Haft). Sie bekannten sich nicht schuldig.

Zwar hatte es das Bundesamt für Verfassungsschutz trotz eines Zunds nicht geschafft, einen Konzertabend der rechten Bierkeller-Musikanten zu dokumentieren. Doch Wega-Beamte stürmten am 5. Juli 2014 in das unter Neonazis populäre Fritz-Stüber-Heim, in das beide angeklagten Musiker zum Liederabend geladen hatten. Dort beschlagnahmten sie Liedtexte (etwa "Jude verrecke") samt Gitarren. Eine Hausdurchsuchung brachte noch mehr Indizien: Den Keller ihres Hauses schmückte das Paar mit NS-Devotionalien. Ihren Körper schmückten sie mit Tattoos, die Neonazi-Geheimcodes und einen SS-Totenkopf darstellen sollen – und die sie zur Schau gestellt hatten. Angeklagt ist weiters ein Auftritt vor Gesinnungsfreunden und eine Gesangseinlage des "Rockers" ("Pollackentango").

"Als Wertanlage"

Und "Rocker Rolf"? Der hat sich auffällig oft auffällig wenig gedacht. Warum hängt – wie es ein Foto zeigt – eine Hakenkreuz-Fahne als Deko hinter den Partygästen bei ihm daheim? "Ich hab’ sie hingehängt und dabei nichts gedacht." Die Texte will er zum Teil "nicht gekannt" haben. Man müsse sie "humoristisch sehen". Einen Hakenkreuz-Wimpel will er "als Wertanlage" erstanden haben. Mit Christoph Bauer saß ihm zwar ein inhaltlich sattelfester und schlagfertiger Richter gegenüber. Regelmäßig resignierte aber auch er mit einem "Meinen S’ das ernst?". Die Musikerin hat Texte selbst geschrieben, die Frau des "Rockers" laut Anklage einschlägige Feiern organisiert. Dem Verteidiger des Paares, Michael Dohr, fehlen Zeugen und "der Nachweis, dass sie das gesungen haben". Der Prozess wurde vertagt.

Causa "Küssel"

Neonazi Gottfried Küssel, der eine mehrjährige Strafe absitzt, kann laut Justizministerium weiterhin Haftausgänge beantragen. Der Verdacht, Küssel hätte während eines Ausgangs rechte Kontakte gepflegt, erhärtete sich nicht. Ob er bedingt entlassen wird oder Freigang erhält, ist laut Dohr – der auch Küssel vertritt – offen. Sein Mandant könne bereits ein Angebot für einen Büro-Job vorlegen, sagte Dohr.