Chronik/Wien

Nachtdienst-Rad in Geburtsklinik gestrichen

Es ist eine Meldung, die bei werdenden Eltern ein mulmiges Gefühl hinterlässt: "Größte Geburtshilfe Wiens ohne Kinderarzt", berichtet der von der Ärztekammer betriebene Blog "Schützen wir unsere Spitäler". Ab 1. Juli wird das Kinderarzt-Nachtdienstrad in der Semmelweis-Klinik (Währing) eingespart. Statt eines eigenen Neonatologen (Spezialist für Neugeborene) wird künftig der Nachtdienst des Wilhelminenspitals bereitstehen, der bei Notfällen ins Haus kommt.

Als Ersatz gibt es in der Nacht einen Anästhesisten mehr. "Ein echter Rückschritt um 20 Jahre, natürlich auf Kosten der Neugeborenen", heißt es empört in dem Blog. Seitens des Krankenanstaltenverbunds (KAV) wird die Maßnahme bestätigt.

Droht jetzt aufgrund von Sparzwängen ausgerechnet in der Geburtshilfe eine Notfall-Unterversorgung, wie die Kritiker befürchten? "Eine gute Idee ist diese Umstrukturierung tatsächlich nicht", sagt Arnold Pollak, früher Leiter der Uniklinik für Kinderheilkunde am AKH. "Es gäbe bestimmt bessere Einsparungspotenziale."

Gleichzeitig warnt er aber vor übertriebener Panikmache: Unter bestimmten Voraussetzungen könne ein Geburtshilfe-Team auch ohne Neonatologie-Nachtdienst im Haus auskommen. "Das gilt aber ausschließlich für Abteilungen, in denen nur Niedrig-Risiko-Geburten stattfinden", betont der Mediziner. Das bestehende Team müsse ausgezeichnet in der Reanimation von Neugeborenen geschult sein, außerdem müsse sichergestellt sein, dass im Notfall ein Neonatologe binnen 15 Minuten ins Haus kommen kann.

Richtlinien erfüllt

Im KAV sieht man diese Voraussetzungen in der Semmelweis-Klinik erfüllt. "Sie ist kein Haus für Risiko-Geburten", betont ein Sprecher. Bei mehr als 2200 Geburten im Vorjahr habe es lediglich neun Notfälle gegeben. Im Fall des Falles könne der Neonatologie-Nachtdienst aus dem Wilhelminenspital binnen weniger Minuten vor Ort sein. "Auch andere Wiener Spitäler wie Hietzing oder das Kaiser-Franz-Josefs-Spital haben keinen eigenen Neonatologie-Nachtdienst, sondern kooperieren mit anderen Häusern." Auch internationale Richtlinien würden nicht zwingend einen Nachtdienst im Haus vorschreiben. Obendrein sei keine Rede von einer Einsparung. "Die Zahl der Ärzte bleibt gleich", betont der Sprecher.

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bleibt skeptisch. "Es ist schon seltsam, dass man nach so vielen Jahren genau jetzt draufkommt, dass man diesen Dienst nicht braucht."