Chronik/Wien

Mutter tötete kleinen Sohn: "Wie Gott gefühlt"

Aufstehen, Frühstück, ein Spaziergang im Park und anschließend fernsehen. Ein recht gewöhnlicher Sonntag endete am 7. Juli in Wien-Favoriten mit einem Familiendrama. Weil ihr fünfjähriger Sohn Alesio beim Fernsehen unruhig wird, schickt Tamara K. ihn in sein Zimmer. Sie folgt ihm und zwingt ihn, Tabletten zu schlucken. "Dann kommst du ins Paradies", sagt sie zu ihm und drückt ihm einen Polster aufs Gesicht. Anschließend würgt sie ihr Kind, schneidet ihm mit einem Stanleymesser in Bauch, Hals und Handgelenke. Sie versucht, sich selbst die Pulsadern aufzuschneiden, hört aber auf, weil es zu weh tut.

So schilderte die 25-jährige Wienerin mit serbischen Wurzeln den Tattag gegenüber der Polizei. Jetzt liegt dem KURIER ein Gutachten vor, indem Psychiater Karl Dantendorfer feststellt: Tamara K. war zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig. Sie handelte im Wahn.

Stimmen aus dem Fernseher

Zwei Tage nach der Bluttat wurde Tamara K. in völlig verwirrtem Zustand von Polizisten am Kahlenberg in Klosterneuburg aufgegriffen. Sie ließ sich festnehmen. Die Leiche ihres Sohnes wurde in der Wohnung gefunden.

Das Motiv kristallisierte sich erst nach mehrmaligen Vernehmungen und in Gesprächen mit dem Psychiater heraus. Sie habe immer wieder Stimmen gehört, die unter anderem aus dem Fernseher gekommen seien. Am Tattag habe sie vernommen, dass ihr Sohn eine Schlange sei, die sie töten müsse. Sie habe ihm gegenüber ein Machtgefühl verspürt, gab sie zu Protokoll: "Ich hatte ein komisches Gefühl in mir, als würde ich Gott sein."

In der Familie war der psychische Zustand von Tamara K. kein Geheimnis. Von Alesios Vater war sie getrennt und heiratete im Vorjahr wieder. Jasmin K. gab bei der Polizei an, seine Frau habe Wahnvorstellungen und Selbstmordgedanken gehabt, und schilderte einen Vorfall im Juli 2014: Sie sei auf der Triester Straße aus dem Auto gesprungen und habe sich nackt ausgezogen. Zuvor habe sie in der Wohnung Möbel mit einem Messer zerstochen. Daraufhin war sie eine Woche lang im Spital, ihr wurden Medikamente verschrieben.

"Ihr Ehemann war am Wochenende der Tat nicht zu Hause. Er glaubt, dass sie in dieser Zeit ihre Medikamente nicht genommen hat", sagt Anwalt Marcus Januschke. Er kritisiert ein "institutionelles Versagen" bei seiner Mandantin. Ihr hätte schon früher geholfen werden sollen. "Sie wurde aus dem Spital entlassen, danach hat sich niemand mehr um sie gekümmert. Das Jugendamt hat nach Beschwerden des Ex-Mannes nachgeschaut und befunden, dass alles in Ordnung ist. Aber dem war offenbar nicht so."

Krankheit nicht richtig behandelt

Laut dem psychiatrischen Gutachten leidet Tamara K. seit mindestens eineinhalb Jahren an Schizophrenie und wurde nicht richtig behandelt. Zum Tatzeitpunkt habe sie sich in einem akut psychotischen Zustand befunden und Halluzinationen gehabt. Für den Gutachter steht fest, dass ihre Erkrankung die Ursache für den Mord an ihrem Sohn war – was heißt, dass sie zurechnungsunfähig ist. Dantendorfer schätzt das Risiko, dass sie erneut jemandem Gewalt antut, als hoch ein.

Januschke geht daher davon aus, dass die Staatsanwaltschaft keine Anklage erheben, sondern die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragen wird.

Die 25-Jährige befindet sich in der geschlossenen Psychiatrie des Otto-Wagner-Spitals. "Sie macht große Fortschritte und sagt selbst, dass ihr die Behandlung dort gut tut", sagt der Anwalt. "Sie beginnt zu realisieren, was sie getan hat und bereut ihre Tat zutiefst."