Chronik/Wien

Mokka und Mode im Mondschein

Neben dem gerahmten Autogramm von Ernst Happel steht eine Box aus Plexiglas. Darunter ein Stück der originalen Wandtäfelung mit Jugendstil-Ornamenten aus dem Jahr 1907. Jenes Jahr, in dem das Café Ritter in Ottakring gegründet wurde. Ein älterer Herr hat es Martina Postl gebracht, als sie das Café in der Ottakringer Straße im Dezember wiedereröffnete.

Und noch immer kommen täglich Gäste in das Kaffeehaus, um Postl persönlich ihren Dank dafür auszusprechen, dass sie dem alt-ehrwürdigen Kaffeehaus noch eine Chance gegeben hat. Im November hat die Finanzexpertin und Bankerin das Geschäftslokal übernommen und fünf Wochen lang saniert. Die Küche ist neu, ebenso die Toiletten (übrigens in Kaiserin-Elisabeth-Grün gehalten). Der Parkettboden wurde neu verlegt, die Schankanlage renoviert, die Wände wurden ausgemalt. Und dort, wo zuletzt die Spielautomaten standen, wurde eine Kinderspielecke eingerichtet.

Lebenstraum

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Warum Martina Postl das macht? "Est ist mein Lebenstraum", sagt die 54-Jährige. Ihr Wirtschaftsstudium hat sich die 54-Jährige damals als Kellnerin verdient. Für Freunde arrangierte sie später gesetzte Diners mit Vier-Gänge-Menüs. "Seit zehn Jahren weiß ich, dass ich nicht Wirtin, sondern Kaffeesiederin werde."

Postl wollte nicht, dass ein weiteres Kaffeehaus in Wien stirbt. "Ich will einen freien, demokratischen Raum schaffen. Wo Platz für Kunst und Kultur ist, wo jeder herkommen kann, wo Schüler und Studenten auch einmal stangeln." Deswegen will sie bei den Preisen moderat bleiben (Mokka 2,50 Euro, 1/8 Schankwein 2,10 Euro). Deswegen gibt es neben den üblichen internationalen Zeitungen auch eine polinische, eine serbische und die türkische Hürriyet. Und deshalb gibt es neben klassischem Kaffeehaus-Essen auch glutenfreie Mehlspeisen und vegane Menüs. "Ich nehme die Gäste ernst, deshalb machen wir das so", sagt Postl.

Und das tut sie auch mit dem Grätzel: Das Bier ist von der Ottakringer Brauerei, zum Frühstück serviert sie Manner-Müsli, die Blumenkisteln bestückt "die Viktoria von gegenüber" und das Fleisch kommt vom Gissinger ein paar Häuser weiter.

Abgesehen von der Wieder-Eröffnung des Café Ritter tut sich auch sonst einiges in Ottakring. Heute, Samstag, findet ab 17 Uhr der Mondscheinbazar in der Ottakringer Brauerei statt. Bei Musik und Essen Food Trucks können Privatpersonen und Jungdesigner ihre Ware verkaufen.

Der Mondscheinbazar ist nicht der erste Markt, der in der Ottakringer Brauerei Station macht. Begonnen hat es mit der Kunst- und Designveranstaltung Feschmarkt. Seit der dort Einzug hielt, nisten sich immer wieder Festivals und Märkte dort ein. "Der Bezirk erfährt eine Aufwertung und die ist noch nicht abgeschlossen", sagt Gabriele Grossberger von Ottakringer.

Gabi Grün und Esther Weinberger sehen als Ausgangspunkt dafür den Umbau der Ottakringer Straße im Jahr 2013. Das war auch die Initialzündung für die Gründung des "Recycling-Kosmos".

Nachhaltig leben

Der Verein will die Ottakringer Straße zur "Straße der Nachhaltigkeit" zu machen. An der Grenze zu Hernals betreibt der Verein in einem ehemaligen Wettlokal die "Material-Koje". Firmen können dort Materialreste vorbeibringen – etwa leere Kaffee-Packungen, Jutesäcke oder Behältnisse aus Labors. Künstler oder Pädagogen oder alle anderen, die damit basteln wollen, können sich gegen eine Spende daran bedienen. Esther Weinberger hält auch sogenannte Upcycling-Workshops für Kinder oder Näh-Cafés für Erwachsene. "Es landet so viel im Müll. Wir wollen zeigen, dass es auch anders gehen kann", sagen Weinberger und Grün.

Bis die Ottakringer Straße tatsächlich die "Straße der Nachhaltigkeit" ist, wird es noch dauern, der Grundstein dafür ist aber gelegt: Seit die Grätzel-Initiative werkt, siedelte sich bereits ein Reparatur-Tischler, ein Shop für gebrauchte Computer und das Faltrad (wo Räder nicht nur verkauft, sondern auch repariert werden) an.