Mindestsicherung: Zu wenige Kontrollen wegen Personalmangels
Von Julia Schrenk
In den Jahren 2010 bis 2015 ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien um 71 Prozent auf 138.592 Personen gestiegen. Ende Juni des vergangenen Jahres gab es in Wien bereits 151.058 Mindestsicherungsbezieher. Das geht aus dem aktuellen Bericht des Rechnungshofes (RH) hervor, der dem KURIER vorliegt – inklusive der Stellungnahme des Stadtsenates.
"Auffällig" ist laut RH, dass von 2010 bis 2015 die Zahl der Mindestsicherungsbezieher im arbeitsfähigen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren gestiegen ist, nämlich um 74 Prozent. Auch die Zahl der Bezieher aus dem Ausland ist in diesem Zeitraum nach oben geklettert, und zwar um das Zweieinhalbfache. Und auch die Anzahl der Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten stieg an – um das Dreifache. Außerdem hat sich die Anzahl jener, die ganzjährig auf die Mindestsicherung angewiesen sind, verdoppelt.
Auf 124 Seiten erörtert der Rechnungshof das, was schon länger bekannt ist. Nämlich dass die Stadt Wien bei der Auszahlung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) zum Teil sehr schlampig agiert hat. So wurden etwa Zusatzzahlungen für Kinder geleistet, ohne zu überprüfen, ob es diese Kinder in Wien tatsächlich auch gibt.
Wie der Rechnungshof bemängelt, zog die Stadt Wien zur Überprüfung Daten aus dem Zentralen Melderegister heran – das sei keine gute Idee: Um sicherzugehen, ob sich in Wien gemeldete Kinder auch tatsächlich in der Hauptstadt aufhalten, seien die Daten des Stadtschulrates heranzuziehen, denn die sind laut Rechnungshof "ein stärkeres Indiz für den tatsächlichen Aufenthalt der Kinder".
Lieber nicht arbeiten
Kritik übt der Rechnungshof auch an den Kontrollen der Stadt: Die seien nicht nur in zu geringem Ausmaß erfolgt, sondern auch ungenau: Akten seien unauffindbar gewesen, "bei der Kontrolle wurde weder das Vieraugenprinzip eingehalten noch wurden die festgestellten Mängel erfasst und kategorisiert".
Und: Der Rechnungshof kritisiert die zwischen Bund und Ländern vereinbarten Kürzungen der Mindestsicherung bei fehlender Bereitschaft zu arbeiten als "unzureichend". So seien einem Wiener Paar mit fünf Kindern nur bis zu 24 Prozent der Mindestsicherung (471 von 1997 Euro) gekürzt worden. Das Paar habe die Kürzung eher in Kauf genommen, als "Arbeitseinkünfte anzustreben". Besonders oft ziehen laut Rechnungshof alleinstehende Männer und verheiratete Frauen die gekürzte Mindestsicherung einer Erwerbstätigkeit vor. Der Rechnungshof empfiehlt der Stadt hier nun "wirksame Neuregelungen" umzusetzen.
Der Stadtsenat zeigt sich in seiner Stellungnahme zum Teil einsichtig. Dass bei der Kontrolle kein Vieraugenprinzip eingehalten wurde, liege daran, dass zum Zeitpunkt der Prüfung nur eine Mitarbeiterin zur Verfügung stand. Sie sei zwar bei "Prüfungstätigkeiten" begleitet worden, aber dann krankheitsbedingt ausgefallen. Und dafür, dass das Modell der Kürzungen generell ineffektiv sei, gebe es keinen Nachweis.
Wie berichtet, war bereits Anfang März die ehemalige Chefin der MA 40 (Soziales) zurückgetreten; auch eine Taskforce wurde bereits eingerichtet.