Chronik/Wien

Maria Vassilakou: "Ich rechne wieder mit Kontroversen"

KURIER: Sind mit dem Sieg von Alexander Van der Bellen die Grünen in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

Maria Vassilakou: Ich würde keine leichtfertigen Schlüsse aus dem Erfolg ziehen. Van der Bellen steht für eine breite Bürgerbewegung über alle Parteigrenzen hinweg. Somit ist es kein grüner Erfolg, sondern einer von uns allen.

Was können die Wiener Grünen davon mitnehmen?

Die Aufbruchsstimmung und die Erkenntnis, dass Wien gezeigt hat, welche Haltungen wichtig sind. Wir wissen nun, dass Wien eine weltoffene Stadt ist, gleichzeitig erwarten die Menschen, dass wir Probleme erkennen und Lösungen anbieten.

Um Sie selbst war es zuletzt äußerst ruhig. Warum diese politische Enthaltsamkeit?

Das erste Jahr nach einer Wahl ist das Jahr, wo man viele Projekte erst auf Schiene bringen muss. Daher ist es von Haus aus ein ruhigeres Jahr für die Öffentlichkeit.

In der vorherigen Legislaturperiode haben Sie dagegen viele Projekte bereits im frühen Stadium angekündigt. Haben Sie dazugelernt?

Als wir neu in der Regierung waren, wollten alle wissen, was wir vorhaben. Wir haben unser Fünfjahresprogramm vorgestellt, um zu zeigen, dass wir etwas verändern wollen. Das brachte Kontroversen mit sich, denn viele Projekte waren damals neu. Jetzt fünf Jahre später haben sich Projekte wie die Ausweitung des Parkpickerls, der Umbau der Mariahilfer Straße oder die 365-Euro-Jahreskarte bewährt.

Die Aufgeregtheit ist vorbei?

Ich rechne fest damit, dass es wieder Kontroversen gibt, wenn wir in wenigen Monaten die neuen Projekte konkret umsetzen.

Sie gelten als Feindbild der Autofahrer. Zufrieden mit der Rolle?

Nein, das sind Überzeichnungen, mit denen alle Verkehrsstadträte der Welt konfrontiert sind. Ich betrachte das als Begleiterscheinung meines Jobs.

Sie haben sich dieses Ressort ausgesucht, auch in der zweiten Periode.

Ich gebe zu bedenken, dass das Ressort "Stadtentwicklung" heißt. Es ist eine unglaublich spannende Aufgabe, eine Zwei-Millionen- Stadt lebenswert zu entwickeln. Verkehr ist nur ein Teil davon. Hier müssen wir handeln, damit unser Leben nicht in einer dauernden Verkehrshölle endet. Wir müssen Alternativen zum Auto bieten.

Welche?

Etwa den Ausbau der S-Bahn in das Wiener Umland mit maximal 15-Minuten-Intervallen.

Das könnten Sie längst, sie müssten nur bei den ÖBB mehr S-Bahnen bestellen. Eine reine Kostenfrage.

Ja, es ist eine Kostenfrage. Im Hintergrund steckt hier die unrühmliche Bahn-Reform von Schwarz-Blau, die bedeutet, dass jede Ausweitung des Angebots allein von den Ländern zu zahlen ist. Wenn wir wirklich Hunderttausende Autofahrer entlasten wollen, dann brauchen wir den Bund dazu. Ich setze große Hoffnung in den neuen Infrastrukturminister.

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Wien will mit einer Strukturreform zehn Prozent einsparen, Sie sind in der Steuerungsgruppe. Wie soll das erreicht werden?

Aktuell werden Reformvorschläge aus allen Ressorts eingeholt. Dann gilt es, diese zu prüfen. Wesentlich ist, dass wir uns nicht auf Einmaleffekte konzentrieren, sondern die Chance zur Entrümpelung nutzen. Freigewordene Ressourcen kann man in anderen Bereichen einsetzen, wo wir dringend Bedarf haben. Etwa bei der mobilen Sozialarbeit an den Hot Spots in der Stadt.

Haben Sie ein Beispiel für die Entrümpelung?

Wir haben eine Vielzahl von Verfahren, von denen ich mich frage, ob es sie überhaupt braucht. Etwa Ortsverhandlungen für Straßenschilder oder überbordende Verfahren bei Betriebsanlagengenehmigungen. Da sind wir mit Vorschriften und Verfahren konfrontiert, die nicht nur den Magistrat belasten, sondern auch bürgerfeindlich sind, wirtschaftsfeindlich sind und Arbeitsplätze kosten. Bei mir häufen sich etwa die Beschwerden von Gastronomen,die sogar nach einem Jahr nicht aufsperren können, weil ihre Anlagen nicht genehmigt werden. Da müssen wir schauen, was wir ersatzlos streichen können.

Hat die Wirtschaftskammer hier eine neue Verbündete?

Ich bin vor allem eine Verbündete der Wiener Wirtschaft, nicht der Kammer.