Mädchen in Syrien im Dschihad: Entführungsgefahr hoch
Von Nihad Amara
Die Wandlung junger Männer zu ehrfürchtigen Gotteskriegern ist sichtbar: Irgendwann tragen sie einen Kaftan und einen langen Rauschebart, halluzinieren vom Gottesstaat, verbieten daheim das Fernsehen oder verhüllen Bilder an den Wänden. In einigen Fällen folgen sie dem Ruf nach Syrien – in den "Heiligen Krieg".
Tanja K., 15, und Katharina G., 16, (Namen geändert) passen zumindest nach außen nicht in dieses Muster. Die beiden Wienerinnen reisten angeblich nach Syrien, um dort für einen Gottesstaat zu kämpfen. Von "Cheerleadern des Dschihad" war in einer Zeitung die Rede. Doch die Mädchen pflegten einen westlichen Lebensstil, mit offenen Haaren, Smartphones, schicken Kleidern und Partnerschaften. Das sagen Familienmitglieder, mit denen der KURIER sprach.
Vergangenen Donnerstag fanden Verwandte in den Zimmern der beiden bosnischstämmigen Mädchen Abschiedsbriefe, in denen beide von ihrer Mission berichteten. Tags darauf erstatteten die Eltern eine Abgängigkeitsanzeige, recherchierten selbst in der Schule, bei Freunden, verfassten einen Aufruf in einer bosnischen Zeitung; der Fall wurde damit publik.
Die Spur der beiden Schülerinnen verliert sich im türkischen Adana, knapp 130 Kilometer nordwestlich der syrischen Grenze. Dorthin gelangten sie mit dem Flugzeug über Istanbul.
"Gehirnwäsche"
Ob sie bereits in Syrien sind, ist unklar. Ihre Handys sind deaktiviert, auf sozialen Netzwerken sind sie offline. Im Gespräch mit Tanjas Onkel fällt das Wort "Gehirnwäsche". Doch die Familie hat keinen Anhaltspunkt dafür: Moscheebesuche – Fehlanzeige; Kopftuch – bisher nie.
Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz versucht nun über türkische Beamte, die beiden ausfindig zu machen. Die Familie will vorerst keine Interviews geben und bittet auf Anraten der Ermittler Medien darum, von Foto-Veröffentlichungen der beiden Abstand zu nehmen. "Durch Bilder steigt die Gefahr einer Entführung", erklärt Tanjas Onkel.
Noch sind viele Fragen offen: Die Verfassungsschützer untersuchen gerade, wie und ab wann sich die bosnischstämmigen Freundinnen radikalisiert haben könnten. Unklar ist auch, ob sie je einen Gebetsraum besucht haben, und woher sie das Geld für die Flüge hatten.