Chronik/Wien

Lehrermangel: Gewerkschaft warnt vor weiterer Kündigungswelle in Wien

In den Wiener Pflichtschulen rollt laut Gewerkschaft schon die nächste Kündigungswelle. Bereits in den vier Wochen vor Weihnachten habe es 20 Dienstauflösungen gegeben. Während der Semesterferien sei es nun erneut jeden Tag eine gewesen, berichtet der oberste Wiener Pflichtschullehrervertreter Thomas Krebs (FCG) im Gespräch mit der APA. Er fordert mehr Unterstützungspersonal, Entlastung von Zusatzaufgaben und mehr Unterstützung durch die Bildungsdirektion.

Studierende, die als Lehrkraft in den Klassen stehen, würden wegen der Doppelbelastung aufgeben - ein Teil davon wende sich ganz vom Lehrberuf ab. Lehrerinnen und Lehrer, die in Niederösterreich wohnen, würden von Wien auf Posten in "ihrem" Bundesland wechseln. Und es gebe immer mehr Wiener Lehrer, die für die Arbeit nach Niederösterreich pendeln.

Bildungsdirektion dementiert

Für die Wiener Bildungsdirektion ist hingegen keine "große Abwanderungstendenz" wahrnehmbar, hieß es auf Anfrage der APA mit Verweis auf die Zahlen zwischen August des Vorjahrs und diesem Jänner an allen Wiener Schulen (Landes- und Bundesschulen). Demnach stehen 151 einvernehmlichen Auflösungen des Dienstverhältnisses, Kündigungen oder Pensionierungen rund 1.900 Neuanstellungen gegenüber. Insgesamt unterrichten rund 28.500 Pädagoginnen und Pädagogen in Wiener Klassenzimmern.

Von Wien wird aus Krebs' Sicht trotz Warnungen der Standesvertretung zu wenig gegen Kündigungen unternommen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) würden der Abwanderung "tatenlos" zugesehen, kritisiert er in einer Aussendung vom Montag. Die Bildungsdirektion scheine in erster Linie mit sich selbst beschäftigt zu sein.

Die Mitarbeiter seien zwar bemüht, die Behörde aber unterbesetzt. So mussten Lehrer etwa mehr als ein halbes Jahr darauf warten, dass sie ihr für Schulveranstaltungen aus dem vorigen Schuljahr vorgestrecktes Geld zurückerhalten.

Unwichtige Arbeiten streichen

Krebs fordert, die Notbremse zu ziehen und unwichtige Arbeiten zu streichen. So könne man Bildungsdirektion und Schulen eine Erholungsphase gönnen, damit die Verwaltung wieder funktioniert. Andernfalls, so fürchtet Krebs, würden die Probleme in den kommenden Schuljahren noch viel größer werden.

Zwar hat das Bildungsministerium erst im Herbst eine weitere Entlastung der Lehrer von administrativen Tätigkeiten in Aussicht gestellt, "aber diese Entlastung verpufft", so Krebs. Noch immer müssten die Schulen Daten für sinnlos empfundene Statistiken zuliefern und trotz Personalengpässen Konzepte für Themen wie Kinderschutz oder Blackout-Vorsorge erarbeiten, ohne dabei wesentliche Unterstützung zu bekommen.

Solche Konzepte seien zwar wichtig, so Krebs. In der aktuellen Personalsituation müsse man aber überlegen, ob Lehrer die Kinder unterrichten sollen "oder 100 andere Dinge machen".

Medizinisches Unterstützungspersonal fehlt

Um den Lehrern mehr Zeit für das eigentliche Unterrichten zu verschaffen, brauche es außerdem Unterstützungspersonal, so Krebs. Mittlerweile gebe es zwar Sekretariatskräfte an den Pflichtschulen. Es fehle aber etwa weiter medizinisch-pflegerisches Fachpersonal zur Betreuung der immer größeren Gruppe von Kindern mit Diabetes, Epilepsie oder schweren Allergien.

Für Lehrerinnen und Lehrer sei der Umgang mit diesen Themen eine "enorme Zusatzbelastung". Krebs kritisiert in diesem Zusammenhang auch, dass es kaum noch Schulärzte an den Pflichtschulen gebe.

Einen großen Mangel sieht er auch weiterhin bei Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern, obwohl hier der Bedarf infolge der Pandemie zugenommen habe. "Hier bräuchte es möglichst permanente Unterstützung vor Ort". Zwar gibt es hier ähnlich wie bei den Administrativkräften ein Modell zur Kofinanzierung der Stellen durch Bund und Länder, die Hilfe komme aber nicht an. "Die Personen gibt es nicht."