Kirchenschenkung: "Herr, gib uns die nötige Kraft"
Von Martin Gantner
Herr, gib uns die nötige Kraft, um diese Situation zu überstehen", sagt Franziska Tisljaric in die Stille der Neulerchenfelder Kirche hinein. "Wir bitten dich, erhöre uns", antwortet eine kleine Schar von Gläubigen, die an diesem Montagmorgen, kurz nach 8 Uhr, gekommen ist, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern.
Es ist Tag eins, nachdem die Gemeinde in Ottakring von der Hiobsbotschaft aus dem 1100 Kilometer entfernten Vatikan erfahren hat. Das Match Neulerchenfeld gegen Erzdiözese Wien und gegen die Kirchenoberen in Rom ist wohl entschieden: Das Gotteshaus nahe dem Ottakringer Brunnenmarkt darf an die Gemeinde der Serbisch Orthodoxen verschenkt werden - trotz lauter Stoßgebete der seit wenigen Jahren erblühenden römisch-katholischen Gemeinde. Die Kleruskongregation in Rom weist somit den Einspruch der Neulerchenfelder zurück und bestätigt nach Monaten den Kurs von Kardinal Christoph Schönborn.
Gläubige wie Tisljaric müssen wohl schon bald in der nahen Pfarre Maria Namen beten. "Mich werden sie von den Stufen wegtragen müssen", sagt die Dame. Sie erzählt, wie sie nach dem Krieg 1946 die Trümmer einer völlig zerbombten Kirche weggeräumt hatte und davon, wie sie in der ersten Reihe mit dabei war, als das neue Gotteshaus in den 50er-Jahren wiedereröffnete. "Und seit Pfarrer Cichoń hier ist, ist die Kirche Woche für Woche randvoll", schildert Tisljaric das Leben in der Gemeinde, der mehrheitlich polnische Katholiken angehören. Viele von ihnen wollen nun die Apostolische Signatur anrufen - den obersten Gerichtshof des Vatikans. Pfarrer Cichoń kommentiert die jüngsten Ereignisse erschöpft und ein wenig kryptisch: "Ich bete um die Erleuchtung des heiligen Geistes, um den Willen Gottes zu erkennen."
Weitere Schenkungen
"Die Kommunikation in Sachen Neulerchenfeld war sicher nicht optimal", heißt es aus dem Büro des Kardinals. Noch diese Woche sollen Gespräche zwischen der Gemeinde und der Erzdiözese stattfinden. "Dabei wird das weitere Vorgehen beraten. Doch unser Ziel der Schenkung bleibt aufrecht." Im Hintergrund stehen weitere Kirchenschenkungen im Rahmen des laufenden Strukturreformplans "Apostelgeschichte 2010" im Raum.
"Immerhin geht die Zahl praktizierender Katholiken zurück", sagt der Sprecher Schönborns. Die Erhaltung der 172 Gotteshäuser wird für die Diözese zunehmend zur Belastung. Bischofsvikar Dariusz Schutzki: "Derzeit laufen auch ergebnisoffene Prozesse im 10. und im 15. Bezirk." Man habe aber aus der Causa Neulerchenfeld gelernt. In den knapp 20 Pfarreien würden neue Gemeindestrukturen und letztlich auch Zusammenlegungen diskutiert. "Die Pfarrgemeinderäte werden jedoch von Beginn an miteinbezogen." Ein Ergebnis liegt frühestens im August 2013 vor. "Wir müssen der Realität ins Auge sehen."