Islamisierung an Schulen: ÖVP fordert Sanktionen
Von Bernhard Ichner
Im Kampf gegen den "Kulturkampf im Klassenzimmer", über den NMS-Lehrerin Susanne Wiesinger in ihrem gleichnamigen Buch berichtet, schlägt die Wiener ÖVP nun ein 8-Punkte-Programm gegen Radikalisierung und Islamisierung an Schulen vor. Im Gemeinderat werde man die Umsetzung beantragen, verkünden der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch und die Bildungssprecherin der Stadt-Türkisen, Sabine Schwarz. SPÖ-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky trifft sich indes am Mittwochnachmittag mit Buchautorin Wiesinger, um Lösungsansätze zu erörtern.
Der ÖVP schweben jedenfalls Sanktionsmöglichkeiten gegen unbelehrbare Eltern und Schüler vor. Unter anderem sollten Eltern mit Migrationshintergrund bei der Schulanmeldung ihrer Kinder etwa ein Bekenntnis zu den österreichischen Werten und der hiesigen Gesellschaftsordnung unterzeichnen, meint Schwarz. Weiters seien Bildungsangebote für Eltern zielführend. Und auch verpflichtende Gespräche mit der Leitung von Kindergärten bzw. Schulen wären wünschenswert, argumentiert sie. Kämen Eltern diesen Verpflichtungen nicht nach, sei zum Beispiel die Familienbeihilfe einzufrieren.
Laut der ÖVP vorliegenden Meldungen gebe es auch im Islamunterricht Schieflagen, erklärt Wölbitsch. So werde dieser zum Teil nicht auf Deutsch abgehalten oder propagiere nicht eine liberale Auslegung des Islam. Daher fordern die Türkisen unangekündigte Kontrollen des Islam-Unterrichts.
Seitens der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) wird dieser Darstellung allerdings vehement widersprochen. Der islamische Religionsunterricht entspreche dem österreichischen Lehrplan und sei auch punkto Lehrmaterialien transparent, erklärt Carla-Amina Baghajati vom Schulamt der IGGÖ. Eine andere Sprache als Deutsch im Unterricht zu sprechen, sei für die Religionslehrer, von denen bei ihrer Einstellung mindestens Deutschkenntnisse auf C1-Niveau verlangt würde, zudem "ein absolutes No-go". Gelte es doch, die Schüler auf Deutsch in Belangen, die ihren Glauben betreffen, dialogfähig zu machen. Abgesehen davon hätten die muslimischen Schüler verschiedene ethnische Hintergründe - insofern sei jede andere Unterrichtssprache als Deutsch auch nicht praktikabel, betont Baghajati.
Davon abgesehen sei die politische Stoßrichtung des türkisen Appells "sehr durchschaubar" und mit Emotionen unterfüttert, meint sie. Fallen die Forderungen doch großteils gar nicht in die Kompetenz der Stadt Wien, sondern in die Zuständigkeit des Bundes.
Schwimmunterricht
Aber zurück zu den türkisen Forderungen: Stadtrat Jürgen Czernohorszky und Bildungsdirektor Heinrich Himmer mögen sich zudem zum Schwimmunterricht als Teil der Leibeserziehung bekennen, sagt Schwarz. Dürfe eine muslimische Schülerin daran nicht teilnehmen, sei das Fach als "nicht positiv abgeschlossen" zu betrachten - was dazu führen müsse, dass das Kind das Schuljahr wiederholen müsste.
Baghajati versucht hier zu relativieren: "Der Schwimmunterricht ist auch schon bisher verbindlich. Zudem sind wir von der IGGÖ mit den Fachinspektoren für Bewegung und Sport in Kontakt und können in Einzelfällen zwischen Schule und Eltern vermitteln." Da der Burkini eine praktikable Lösung darstelle, trete das Problem aber nur mehr sehr selten auf.
Sprachförderung
Insbesondere für muslimische Mädchen schlägt die ÖVP Schulungen vor, in denen die Schülerinnen über ihre Rechte aufgeklärt werden. Buben sollten dieselben Kurse besuchen - allerdings getrennt von ihren Klassenkolleginnen.
Im Kindergarten müsse das pädagogische Personal zudem zumindest Deutsch auf C1-Niveau beherrschen, führt Schwarz weiter aus. Und vor allem zusätzliches Unterstützungspersonal für Lehrer in Form von Schulpsychologen und Sozialarbeitern ist eine türkise Kernforderung. Die Finanzierung sei Landeskompetenz, betont Schwarz - und nimmt damit die türkis-blaue Bundesregierung aus der Pflicht. Die hatte ja das Integrationspaket über bundesweit 80 Millionen Euro nicht verlängert, was in Wien zu einem Mangel an 300 Sprachförderkräften führte, wie Czernohorszky und Himmer wiederholt betonten.
Ethnische Konflikte
Schwarz kontert: "Die Stadt wusste aber immer, dass dieser Topf befristet sein würde." Nach Ansicht der Türkisen wäre es einfach für die Stadt zusätzliches Personal zu finanzieren. "70 Sozialarbeiter würden für ein Jahr drei Millionen Euro kosten. Das wäre aufzutreiben, wenn man zum Beispiel beim KH Nord besser wirtschaftet", richtet Wölbitsch der rot-grünen Stadtregierung aus.
NMS-Direktor Christian Klar, an dessen Schule in Floridsdorf etwa 90 Prozent der Schüler Migrationshintergrund haben, bestätigt zwar Wiesingers Ausführungen im Wesentlichen. Seiner Erfahrung nach, ist aber nicht ausschließlich der Islam das Problem. Da mache man es sich mit der Begründung zu einfach. Viel mehr gehe es um ethnische Konflikte, um Nationalismen und Rassismen, auf die es seitens der Behörde zu reagieren gelte. Seiner Ansicht nach, müssten Politik und Behörden hier mehr Haltung zeigen und mehr hinter den Lehrern stehen. Das bekrittelt auch Wölbitsch: Lehrer, die Probleme ansprechen, hätten berufliche Konsequenzen zu befürchten.
"Schulen brauchen mehr Unterstützung"
Hilfe erhofft man sich auch seitens der Stadtregierung - und zwar vom Bund. Und gerade die Wiener ÖVP könne "eine wichtige Aufgabe übernehmen – nämlich den eigenen Bildungsminister davon zu überzeugen, dass Wiener Schulen und auch Schulen in anderen Ballungsräumen mehr Mittel für Integrationsarbeit brauchen", erklärt SPÖ-Wien-Bildungssprecher Heinz Vettermann. "Minister Faßmann hat erst letzte Woche in der Pressestunde davon gesprochen, dass es nach der Flüchtlingsbewegung 2015 nun ‚keinen Bedarf‘ mehr für Integration an Schulen gibt.“
Wien fordere schon seit Monaten vehement, dass die Streichung des sogenannten „Integrationstopfes“ des Bundes zurückgenommen werde, so Vettermann. „Wir waren im Juni damit konfrontiert, dass entgegen anders lautender Beteuerung seitens des Ministeriums alle SprachlehrerInnen, Integrationspersonal und interkulturelle Teams aus diesem Topf ersatzlos gestrichen wurden. Insgesamt haben wir nun 300 Unterstützungspersonen weniger in den Wiener Schulen.“
Gerade beim Deutschlernen und der Integration bräuchte es aber ein deutliches Mehr an Unterstützung und keine Kürzung.“ Mit Juni 2019 laufe auch das Programm Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose aus. „Damit wurden an Wiener Schulen Unterstützungspersonal für administrative Tätigkeiten und im sonderpädagogischen Bereich finanziert“, betont Vettermann.
Die aktuellen Vorschläge der ÖVP zum Thema Integration werde man sich "gerne anschauen". Einiges davon sei bereits im Laufen und in Umsetzung - auch im Rahmen des überparteilichen Runden Tisches zur Gewalt an Schulen. Zuletzt hatte auch SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig konkrete Maßnahmen an Schulen angekündigt.
"Zynisches Spiel"
Kritik an der ÖVP kommt auch von den Neos. Dass die Wiener ÖVP jetzt die Schuld an der Bildungsmisere allein der Stadt Wien zuschreibt, ist typisch“ kritisiert der designierte Wiener Klubobmann, Christoph Wiederkehr. „Die ÖVP stellt den Bildungsminister und nimmt sehenden Auges Kürzungen in Kauf, die gerade Wien treffen. Das ist ein zynisches Spiel – während die rot-grüne Stadtregierung alles auf den Bund schiebt und die Hände in den Schoß legt, befeuert Türkis-Blau mit ihren Kürzungen etwa im Integrationsbereich die Probleme und zeigt genüsslich mit dem Finger auf Wien. Wir müssen im Bildungsbereich aber schleunigst über die Parteigrenzen hinweg konstruktive Lösungen schaffen“, so Wiederkehr.