Chronik/Wien

Integration: Ein Schulersatz für junge Menschen mit Fluchterfahrung

Die Karriere von Marwan B. ist ein Beispiel dafür, wie gut Integration funktionieren kann. Der 24-jährige Syrer kam Ende 2019 nach Wien, bekam einen positiven Asylbescheid und wurde vom AMS ins Jugendcollege geschickt. Dort verbesserte er seine Deutschkenntnisse auf B1-Niveau (fortgeschritten) und holte seinen Pflichtschulabschluss nach. Dann machte Herr B. in Oberösterreich eine Lehre, derzeit arbeitet er in einer Linzer Tischlerei als Bodenleger.

Katharina Luger, die Geschäftsführerin des AMS Wien, erzählt diese Erfolgsgeschichte aus gegebenem Anlass: AMS, Bund und Stadt Wien bauen das Projekt „Jugendcollege“ massiv aus.

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75 Millionen Euro

Das seit 2016 bestehende Angebot richtet sich an junge „Konventionsflüchtlinge und subsidiär Schutzberechigte“, kurz: alle Asylberechtigte, und ist ein Schulersatz für Menschen, die für die Pflichtschule zu alt sind. (Im Kasten rechts kommen zwei junge Frauen zu Wort, die das Jugendcollege bereits erfolgreich absolviert haben, Anm.)

Das College wird auf zwei Levels angeboten. Variante „Basic“ vermittelt neben Deutschkenntnissen bis A2-Niveau auch Basiswissen in Mathematik und Englisch sowie Infos zu Alltag und beruflichen Möglichkeiten in Österreich. Auch Lehrwerkstätten, IT-Kurse etc. sind im Angebot.

Der „Advanced“-Modus richtet sich an fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler und endet im Idealfall mit dem Pflichtschulabschluss.

„Wir sind sicher, dass dieses Programm die Integration verbessert“, sagt Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher. Der Bund stellt dafür zusätzlich 75 Millionen Euro bereit, davon gehen etwa 50 Millionen nach Wien, wo bei Weitem die meisten Betroffenen ansässig sind.

Österreichweit waren zuletzt 44.499 Asylberechtigte beim AMS vorgemerkt, 74 % davon in Wien, 25 % unter 25 Jahre alt. In Wien sind also etwa 8.000 junge Menschen mit Fluchterfahrung arbeitslos. Für diese gab es bisher rund 900 Schulcollege-Plätze. Bald werden es 5.000 sein, darunter 1.000 Plätze für Jugendliche im Status des Asylverfahrens, bei denen also nicht sicher ist, ob sie bleiben dürfen.

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Zu viel Zeit vertrödelt

Für das College spricht auch, dass es Zeit spart. Bisher mussten Flüchtlinge zuerst Deutsch lernen, und wenn sie dann mit der Ausbildung beginnen konnten, waren oft schon zwei Jahre vergangen.

Auch der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) – die Stadt schießt 25 Millionen zu – erhofft sich von der Maßnahme mehr Tempo. „Bisher haben wir viel zu viel Zeit vertrödelt“, sagt er. „Wir müssen so früh wie möglich anfangen, uns mit den jungen Menschen auseinanderzusetzen, die zu uns kommen.“

Die Erfolgsgeschichte von Marwan B. ist übrigens noch nicht zu Ende erzählt. Der syrische Tischler lernt gerade für die Meisterprüfung. Er möchte sich nämlich selbstständig machen und seine eigene Tischlerei gründen.